Rheumatoide Arthritis der Kiefergelenke

Die rheumatoide Arthritis (Synonyme: Arthritis; Chronische Polyarthritis; Polyarthritis chronica progressiva; Polyarthritis rheumatica; Primär chronische Polyarthritis; Primär-chronische Polyarthritis; Rheumatoid arthritis; pcP; ICD-10-GM  K10.9: Krankheit der Kiefer, nicht näher bezeichnet; ICD-10-GM: M06.-: Sonstige chronische Polyarthritis) ist eine chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich primär als Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert. Diese spezifische Form der Arthritis betrifft das Kiefergelenk und kann zu erheblichen Beeinträchtigungen führen.

Nachfolgend wird ausschließlich die rheumatoide Arthritis der Kiefergelenke beschrieben.

Symptome – Beschwerden

  • Zerstörung des Kiefergelenkköpfchens, Retrognathie (Unterkieferrücklage), und offener Biss.
  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Unterkiefers.
  • Potenzielle Entwicklung von Ankylose (Gelenksteife).
  • Häufig bilaterale Symptomatik mit dauerhaften Schmerzen.

Im Rahmen der Kiefergelenksarthritis (ICD-10-GM K 07.6: Krankheiten des Kiefergelenkes; Kiefergelenksarthralgie) kommt es zur Zerstörung des Kiefergelenkköpfchens. Infolgedessen entsteht eine Retrognathie (Unterkieferrücklage) kombiniert mit einem frontal offenen Biss.

Die Bewegungsfähigkeit des Unterkiefers ist schmerzhaft eingeschränkt, im Laufe der Erkrankung kann es zu einer Ankylose (Gelenksteife –  ICD-10-GM M24.68: Ankylose eines Gelenks, sonstige [Hals, Kopf, Rippen, Rumpf, Schädel, Wirbelsäule]) kommen. Auch Reibegeräusche können aufgrund der Veränderungen im Gelenk hörbar sein.

Es kann auch nur eines der Kiefergelenke betroffen sein, aber meistens liegt die Symptomatik auf beiden Seiten vor. Die Schmerzen bei Kiefergelenksarthritis sind dauerhaft und nehmen bei Bewegung des Unterkiefers zu. Ein Ausstrahlen der Schmerzen in die Nacken- und/oder Kaumuskulatur ist möglich.

Mitunter sind neben dem Kiefergelenk auch noch andere Gelenke von der rheumatoiden Arthritis betroffen. Bei Kindern kann das Gesichtswachstum durch die Erkrankung behindert sein.

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

  • Immunologische Reaktionen mit Einwanderung von Entzündungszellen in die Synovialmembran.
  • Autoimmunprozesse und genetische Faktoren, z.B. HLA-DR4-Expression.
  • Mögliche Verbindung mit infektiösen Erregern wie Mykoplasmen, EBV, CMV, Parvovirus und Rubellavirus.

Bei der rheumatoiden Arthritis kommt es zur Einwanderung von Entzündungszellen – Makrophagen und T-Lymphozyten – in die Synovialmembran (Innenhaut der Gelenkkapsel) und zur Freisetzung proinflammatorischer (entzündungsfördernder) Zytokine wie Interleukin-1b und TNF-α – Tumornekrosefaktor alpha –, die maßgeblich zur Gelenkdestruktion beitragen.

Es ist wissenschaftlich bisher nicht eindeutig geklärt, welche Ursachen für diesen chronisch entzündlichen Prozess verantwortlich sind. Es wird angenommen, dass es sich eventuell um eine Autoimmunerkrankung handelt. In einigen Fällen kann eine genetische Prädisposition (Veranlagung) mit HLA-DR4-Expression nachgewiesen werden.

Man vermutet auch, dass es sich bei der rheumatoiden Arthritis um eine Reaktion des Körpers auf die Infektion mit einem noch nicht identifizierten Erreger handelt – es werden Mykoplasmen, Epstein-Barr-Virus (EBV), Cytomegalievirus (CMV), Parvovirus und Rubellavirus verdächtigt.
Da die rheumatoide Arthritis auf der ganzen Welt auftritt, wurde die Hypothese aufgestellt, dass der infektiöse Erreger ebenfalls weltweit vorhanden sein müsste.

Folgeerkrankungen

  • Ankylose (Gelenksteife) der Kiefergelenke mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit.
  • Mögliche Beeinträchtigung des Gesichtswachstums bei Kindern.

Diagnostik

  • Schmerzanamnese und Palpation des Kiefergelenks.
  • Abhören des Gelenks zur Identifizierung von Reibegeräuschen.
  • Bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT und MRT zur genauen Darstellung von Gelenkveränderungen.

Zur Diagnosestellung muss eine eingehende Schmerzanamnese erfolgen. Ebenso wird das Kiefergelenk sowie die umgebende Muskulatur mittels Palpation (Abtasten) untersucht, um eventuelle Verhärtungen oder schmerzhaft verspannte Muskeln festzustellen. Das Kiefergelenk kann abgehört werden, um mitunter bestehende Reibegeräusche nachzuweisen.

Zur Diagnostik gehört ebenso das Anfertigen einer Röntgenaufnahme des Kopfes bzw. des Kiefergelenkes, gegebenenfalls kann eine Computertomographie (craniale CT; cCT) oder eine Magnetresonanztomographie (craniale MRT; cMRT) erfolgen, um die Diagnose zu sichern.

Radiologisch zeigen sich ein verschmälerter Gelenkspalt sowie Veränderungen am Kondylus (Kiefergelenksköpfchen). Dazu zählen erosive Veränderungen oder eine Abflachung des Gelenkköpfchens bis zu dessen völliger Auflösung.

Therapie

  • Konservative Behandlung in frühen Stadien.
  • Zusammenarbeit mit Rheumatologen für antirheumatische Medikation.
  • Intraartikuläre Injektionen und physikalische Therapien.
  • Einsatz von Aufbissschienen zur Entlastung des Gelenks.
  • Operative Eingriffe bei fortgeschrittenen Fällen, insbesondere bei Ankylose (Gelenksteife).

Nach Diagnosestellung wird je nach Ausmaß der Erkrankung versucht, zunächst rein konservativ zu behandeln.

Eine medikamentöse, antirheumatische Therapie wird immer in Zusammenarbeit mit einem Rheumatologen durchgeführt.

Intraartikuläre Injektionen können mit verschiedenen Medikamenten durchführt werden. Dazu zählt die Kombination aus Dexamethason mit Lidocain bei eher entzündlich bedingter Symptomatik und Hyaluronsäure, die eher arthrotische Beschwerden mildert.

Auch physikalische Therapie und Krankengymnastik werden zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis der Kiefergelenke eingesetzt. Hier werden unter anderem Mundöffnungs- und Bewegungsübungen durchgeführt.

Um das Kiefergelenk zu entlasten, können sogenannte Aufbissschienen angefertigt und eingesetzt werden.

In schweren Fällen –  wenn eine Ankylose auftritt –  kann eine operative Behandlung notwendig sein. Die wird jedoch erst durchgeführt, wenn es zur Remission der Erkrankung gekommen ist. Nach der operativen Lösung einer Ankylose kommt es in fünf bis acht Prozent der Fälle zu einer Reankylosierung des Gelenks.

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) 
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln 
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de
  • Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V.
    Maximilianstraße 14, 53111 Bonn
    Telefon: 0228 76 60 60, Telefax: 0228 76 60 620, E-Mail: bv@rheuma-liga.de, Internet: www.rheuma-liga.de

Literatur

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  11. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
     
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