Von einem Zahnengstand (Synonyme: Zahnstellungsanomalien; abnorme Zahnlückenbildung; anomale Zahnlückenbildung; erworbenes Fehlen von Zähnen mit fehlerhafter Okklusion; fehlerhafter Biss durch fehlende Zähne; Gebissanomalie; impaktierter Zahn mit abnormer Stellung; impaktierter Zahn mit abnormer Stellung benachbarter Zähne; retinierter Zahn mit abnormer Stellung; retinierter Zahn mit abnormer Stellung benachbarter Zähne; retinierter und verlagerter Eckzahn; retinierter und verlagerter Weisheitszahn; retinierter und verlagerter Zahn; weit auseinander stehende Zähne; Zahndiastema; Zahndurchbruchstörung mit abnormer Zahnlage; Zahnfehlstellung; Zahnlageanomalie; Zahnretention mit abnormer Stellung benachbarter Zähne; Zahnrotation; Zahnstellungsanomalie; Zahntransposition; Zahnverlagerung; Überfüllung hervorrufender Mesiodens; Überfüllung hervorrufender Paramolar; Überfüllung hervorrufender akzessorischer Zahn; Überfüllung hervorrufender überzähliger Zahn; ICD-10-GM K07.3: Zahnstellungsanomalien) spricht man immer dann, wenn ein Missverhältnis zwischen Kiefer- und Zahngröße vorliegt.
Dabei kann es entweder sein, dass der Kiefer zu schmal ist, die Zähne jedoch eine normale Breite aufweisen, oder aber es ist umgekehrt der Fall, dass die Zähne überdurchschnittlich breit sind und daher ein Platzmangel entsteht.
Symptome – Beschwerden
Der Zahnengstand kann sowohl im koronalen (kronenwärts) als auch apikalen (wurzelwärts) Teil der Zähne lokalisiert sein.
Bei einem koronalen Engstand liegt ein Platzmangel im Bereich der Zahnkrone vor, wohingegen beim apikalen Engstand die Zahnhälse betroffen sind. Ein apikaler Engstand geht einher mit einer Divergenz der Zahnkronen, es kann sogar zu einer Lückenbildung koronal kommen.
Beim koronalen Engstand stehen die Zähne häufig verschachtelt, was die Reinigung der Zahnzwischenräume erschwert.
Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)
Der Engstand wird je nach Ursache in den primären, sekundären und tertiären Engstand eingeteilt.
Ein primärer Engstand liegt immer dann vor, wenn ein Missverhältnis zwischen Zahn- und Kiefergröße die Ursache für den Engstand darstellt.
Ein sekundärer Engstand entsteht, wenn durch vorzeitigen Milchzahnverlust die Molaren (Backenzähne) nach mesial (vorn) wandern und somit den Platz für die bleibenden Zähne verkleinern.
Des Weiteren kann ein tertiärer Engstand auftreten, beispielsweise durch spätes Wachstum der Kiefer oder den Durchbruch der Weisheitszähne.
Folgeerkrankungen
Durch einen ausgeprägten Zahnengstand kann die Reinigung der Zahnzwischenräume erschwert sein, was zu einem vermehrten Auftreten von Karies im Approximalbereich (Zahnzwischenraum) führen kann.
Ebenso stellt ein ausgeprägter Zahnengstand eine ästhetische Beeinträchtigung für die Patienten dar.
Diagnostik
Der Zahnengstand kann zum einen anhand des klinischen Befundes und der Anamnese festgestellt werden. Unterstützend werden Röntgenaufnahmen angefertigt – Orthopantomogramm und Fernröntgenseitenbild. Eine Fernröntgenseitenanalyse kann Aufschluss darüber geben, ob ein zu kleiner Kiefer vorliegt. Mithilfe einer Abdrucknahme und anschließender Modellanalyse kann festgestellt werden, ob die Zahnbreiten normal oder überdurchschnittlich groß sind und ob es sich um einen eher koronalen oder apikalen Engstand handelt.
Therapie
Um den Engstand zu beseitigen, gibt es verschiedene kieferorthopädische Möglichkeiten, die je nach Grad und Ursache des Engstandes in Betracht gezogen werden können.
Um mehr Platz für die bleibenden Zähne zu schaffen, kann ein zu schmaler Kiefer mithilfe einer transversalen Erweiterung vergrößert werden. Dies kann durch verschiedene sowohl herausnehmbare als auch durch festsitzende Apparaturen durchgeführt werden.
Die einfachste Methode stellt eine sogenannte Aktive Platte dar. Sie ist herausnehmbar und besitzt eine Schraube, mit der die Platte täglich etwas verbreitert wird. Ebenso können Transpalatinalbögen, die quer über den Gaumen verlaufen und an den oberen Backenzähnen fixiert sind, zur Erweiterung des Oberkiefers genutzt werden.
Die Quadhelix ist eine Vierschlaufenfeder, die vom Kieferorthopäden aktiviert werden kann, um ebenfalls zu einer Zunahme des Breitenwachstums zu führen.
Bei erwachsenen Patienten, die sich noch zu einer kieferorthopädischen Behandlung entschließen, muss die Oberkiefererweiterung meist chirurgisch unterstützt werden.
Eine zweite Möglichkeit zur Platzbeschaffung ist die Extraktion (Entfernung) bleibender Zähne. Dieses Verfahren wird sowohl bei primärem als auch bei sekundärem Engstand durchgeführt. Auch als Ausgleichsextraktion bei Nichtanlage einzelner Zähne kommt die kieferorthopädische Extraktionstherapie zum Einsatz. Beginn dieser Therapie ist etwa um das zehnte Lebensjahr.
Im Rahmen der Extraktionstherapie gilt es zu beachten, dass die Extraktion auch Folgen für das Weichteilprofil und die Ästhetik hat. Ebenso muss noch vorhandenes Wachstum einkalkuliert werden, um nicht vorzeitig den Entschluss zu einer Extraktion zu fassen.
Häufig wird zur Platzbeschaffung in jedem Quadranten ein Prämolar (kleiner Backenzahn) entfernt. Wird eher im Frontzahnbereich Platz benötigt, so wird meistens der erste Prämolar extrahiert, wohingegen bei Platzmangel im Seitenzahnbereich die Extraktion des zweiten Prämolaren sinnvoller ist.
Mitunter werden auch die zweiten Molaren (großen Backenzähne) entfernt, wenn Weisheitszähne angelegt sind und deren Durchbruch dadurch ermöglicht wird.
Eine Kontraindikation (Gegenanzeige) zur Extraktionstherapie besteht bei Tiefbiss und horizontalem Wachstumstyp.
Literatur
- Kahl-Nieke B: Einführung in die Kieferorthopädie. 2., neu bearbeitete Auflage. Urban&Fischer Verlag 2001