Über- oder Unterzahl von Zähnen
Abweichungen der Anzahl der Zähne

Anomalien in der Zahnanzahl, bezeichnet als Anodontie, Oligodontie und Hyperodontie (ICD-10-GM K00.0 für Anodontie und Oligodontie; K00.1 für Hyperodontie), sind Variationen in der Anzahl der Zähne, die sowohl das Milch- als auch das bleibende Gebiss betreffen können.

Das Milchgebiss weist in der Regel 20 Zähne auf, das Gebiss der 2. Dentition – die bleibenden Zähne – umfasst ohne Weisheitszähne 28, mit Weisheitszähnen können es bis zu 32 Zähne sein. Es gibt jedoch zahlreiche Abweichungen von der Norm, die die Anzahl der Zähne betrifft, d. h. Abweichungen der Anzahl der Zähne sind möglich.

Symptome – Beschwerden

  • Oligodontie und Hypodontie: Oft keine Beschwerden, aber mögliche funktionelle und ästhetische Beeinträchtigungen.
  • Hyperodontie: Überzählige Zähne können den normalen Zahndurchbruch stören, Schmerzen verursachen und zu Fehlstellungen führen.

Sind zu wenige Zähne vorhanden, unterscheidet man die Hypodontie – das Fehlen einzelner Zähne – sowie die Oligodontie, bei der weniger als (normalerweise) 32 Zähne ausgebildet werden, von der Anodontie – angeborenen Zahnlosigkeit. Die Anodontie ist eine extrem selten auftretende Fehlbildung.

Die Hypodontie
tritt selten im Milchgebiss auf. Ist dies jedoch der Fall, so sind meist die oberen seitlichen Schneidezähne sowie die unteren mittleren oder seitlichen Schneidezähne betroffen. Oftmals fehlt dann auch die Anlage der entsprechenden bleibenden Zähne. Die Häufigkeit von Hypodontie im Milchgebiss liegt jedoch unter einem Prozent.

Meistens betrifft diese Fehlbildung das bleibende Gebiss. Am häufigsten betroffen sind die zweiten Prämolaren (kleinen Backenzähne) des Unter- oder Oberkiefers, ebenso die oberen seitlichen Schneidezähne.

Überzählige Zähne (Hyperodontie) treten am häufigsten im bleibenden Gebiss des Oberkiefers auf, bevorzugt im Schneidezahnbereich.

Auch hier sind die bleibenden Zähne häufiger betroffen als die Milchzähne.

Überzählige Zähne können der natürlichen Zahnform entsprechen und werden dann als eumorph bezeichnet. Ist ihre Form atypisch, werden sie als dysmorphe Zähne bezeichnet. Dazu zählen die Mesiodentes, Distomolaren und Paramolaren. Mesiodentes haben meistens Zapfenform und finden sich zwischen den Wurzeln der oberen mittleren Schneidezähne. Sie können den natürlichen Zahndurchbruch erheblich beeinträchtigen. Disto- oder Paramolaren sind Backenzähne, die entweder zwischen den Molaren oder hinter den Weisheitszähnen entstehen.

Weisheitszähne sind bei etwa 10-35 % der Bevölkerung nicht mehr vorhanden.

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

  • Genetische Ursachen: Über- und Unterzahl von Zähnen sind oft genetisch bedingt.
  • Assoziation mit Syndromen: Beide Anomalien können mit anderen syndromischen Erkrankungen assoziiert sein, wie z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Trisomie 21.

Erkrankungen, die mit einer Hypodontie einhergehen können:

  • Anhidrosis hypotrichotica (Synonyme: ektodermale Polydysplasie; anhidrotische Ektodermaldysplasie; Christ Siemens Touraine Syndrom) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; fehlende Schweißsekretion aufgrund fehlender ekkriner Schweißdrüsen.
  • Bloch-Sulzberger-Syndrom (Synonyme: Bloch-Siemens-Syndrom; Incontinentia pigmenti; Melanoblastosis cutis; Naevus pigmentosus systematicus) – genetische Erkrankung mit X-chromosomal-dominantem Erbgang; betrifft neben den Zähnen Haut, Haare und Nägel betrifft; tritt nur bei Frauen auf (bei Jungen wg. des fehlenden intakten zweiten X-Chromosoms meist schon vorgeburtlich tödlich)
  • Ektodermale Dysplasie  – Fehlbildungen an Zähnen, Haaren, Haut und Schweißdrüsen, Anodontie möglich
  • Gregg-Syndrom – Rötelnembryopathie (Rötelninfektion während der Schwangerschaft)
  • Hallermann-Streiff-Syndrom (kurz HSS, andere Bezeichnungen: Vogelkrankheit, Hallermann-Streiff-Francois Syndrom, engl: Oculomandibulodyscephaly with hypotrichosis, Oculomandibulofacial Syndrome) – seltenes, sporadisch auftretendes Fehlbildungssyndrom beim Menschen.
  • Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS-Spalten; lat. Cheilognathopalatoschisis) – Gruppe von angeborenen Fehlbildungen, die zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen beim Menschen zählen, denen gemeinsam ist, dass sich in der Embryonalentwicklung Teile der Mundpartie nicht normal entwickeln. Die Lippenspalte wird umgangssprachlich oft als „Hasenscharte“ bzw. die Gaumenspalte als "Wolfsrachen" bezeichnet.
  • Marfan-Syndrom ‒ genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs, Spinnengliedrigkeit und Überstreckbarkeit der Gelenke auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma (pathologische (krankhafte) Ausbuchtung der Arterienwand)
  • Papillon-Leage-Psaume-Syndrom (Orofaziodigitales Syndrom) – genetische Erkrankung mit X-chromosomal-dominantem Erbgang; unter anderem Hyper- oder Hypodontie möglich, tritt nur bei Frauen auf
  • Trisomie 21 (Down-Syndrom) – spezielle Genommutation beim Menschen, bei der das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach (Trisomie) vorliegen. Neben für dieses Syndrom als typisch geltenden körperlichen Merkmalen sind in der Regel die kognitiven Fähigkeiten des betroffenen Menschen beeinträchtigt; des Weiteren liegt ein erhöhtes Risiko für eine Leukämie (Blutkrebs) vor.

Erkrankungen, die mit einer Hyperodontie einhergehen können:

  • Lippen-Kiefer-Gaumenspalten – bei 35 Prozent Doppelanlage der seitlichen Schneidezähne
  • Dysostosis cleidocranialis – angeborene Skelettfehlbildung

Folgeerkrankungen

  • Funktionelle Beeinträchtigungen: Kau- und Sprechprobleme.
  • Ästhetische Beeinträchtigungen: Unregelmäßigkeiten im Erscheinungsbild.

Diagnostik

  • Radiologische Untersuchung: Panoramaschichtaufnahme zur Feststellung der Anzahl und Lage der Zähne.
  • Klinische Untersuchung: Beurteilung der vorhandenen Zähne und möglicher Fehlstellungen.

Eine Zahnüberzahl wird meist zufällig im Rahmen von Routine-Röntgenuntersuchungen beim Zahnarzt festgestellt.

Therapie

Die Therapie überzähliger Zähne besteht in deren Extraktion, das heißt dem Ziehen der Zähne, da sie den natürlichen Zahndurchbruch behindern können.

Bei eumorphen (überzähligen) Zähnen, wenn beispielsweise ein oberer Schneidezahn doppelt vorhanden ist, wird immer der Zahn im Kiefer belassen, der kieferorthopädisch leichter in das Gebiss einzuordnen ist.

Bei Nichtanlage von Zähnen gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Zum einen kann der Milchzahn, dem kein bleibender Zahn folgt, belassen werden. Er wird erst nach Wachstumsabschluss entfernt und die entstehende Lücke wird durch ein Implantat geschlossen. Dies ist jedoch nur bei weitgehender Kariesfreiheit und Erhaltungswürdigkeit des Milchzahnes möglich. Muss der Milchzahn vor Wachstumsabschluss entfernt werden, so kann mitunter ein Lückenhalter eingesetzt werden, um die Lücke offenzuhalten, bis das Wachstum abgeschlossen ist und eine Implantatversorgung möglich ist.

Die zweite Möglichkeit besteht in der Entfernung des Milchzahnes und dem nachfolgenden kieferorthopädischen Lückenschluss. Hierbei muss beachtet werden, dass unter Umständen eine Ausgleichsextraktion im Gegenkiefer notwendig ist, um die Zähne in eine korrekte Okklusion (Zusammenbiss) einzustellen.

Beginn einer Extraktionstherapie ist etwa um das zehnte Lebensjahr.
Im Rahmen der Extraktionstherapie gilt es zu beachten, dass die Extraktion auch Folgen für das Weichteilprofil und die Ästhetik hat. Ebenso muss noch vorhandenes Wachstum sowie der Wachstumstyp einkalkuliert werden.

Wann immer eine genetisch bedingte Erkrankung der Zahnanomalie zugrunde liegt, gestaltet sich die Therapie meist sehr viel aufwendiger und muss ganz individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden.

Literatur

  1. Kahl-Nieke B: Einführung in die Kieferorthopädie. 2. Aufl. Deutscher Ärzte-Verlag 2001
  2. Opitz C, Witkowski R: Genetisch bedingte Fehlentwicklungen im Mund-Kiefer-Gesichts-Bereich. zm 9/2002 S. 64 (2002)
  3. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
     
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