Mundhöhlen-Plattenepithelkarzinom

Beim Mundhöhlenkarzinom (ICD-10-GM C06.9: Mund, nicht näher bezeichnet) handelt es sich um eine bösartige Neubildung der Mundhöhle. Die meisten Tumoren der Mundhöhle (etwa 95 %) sind Plattenepithelkarzinome (PEC; engl. oral cavity squamous cell carcinoma, OSCC).

Mundhöhlenkarzinome finden sich zumeist im Bereich des Mundbodens und am seitlichen Zungenrand. Der Oberkiefer ist am seltensten betroffen.

Das orale Plattenepithelkarzinom ist der häufigste Tumor im zahnärztlichen Bereich. 

Geschlechterverhältnis: Dieser Tumor tritt bei Männern etwa dreimal so häufig auf wie bei Frauen.

Häufigkeitsgipfel: Das mittlere Erkrankungsalter liegt im sechsten Lebensjahrzehnt. Am häufigsten tritt die Erkrankung bei Männern zwischen 55 und 65 und bei Frauen zwischen 50 und 75 Jahren auf.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt ca. 10.000 Erkrankungen pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose: Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.

Trotz der umfassenden Therapiemaßnahmen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei etwa 50 %.

Daher gilt es, präventiv zu handeln, Nikotin und Alkohol zu meiden und eine adäquate Mundhygiene zu betreiben.

Regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt tragen dazu bei, eventuelle Veränderungen der Mundschleimhaut frühzeitig zu erkennen und so rechtzeitig eine Therapie einleiten zu können.

Jeder Schleimhautveränderung, die länger als zwei Wochen anhält, muss abgeklärt werden.

Symptome – Beschwerden

Verdächtig ist jede Veränderung der Mundschleimhaut mit Gewebeüberschuss und/oder Gewebedefekt sowie eine Farbveränderung oder Verhärtung der Schleimhaut.

Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Arten des Mundhöhlenkarzinoms – die endophytisch und die exophytische Form. Etwa 99 % aller PEC der Mundhöhle wachsen endophytisch, also invasiv in das Gewebe hinein.

Klassisch ist ein Ulkus (Geschwür) sichtbar, der von einem aufgeworfenen Rand und einer roten Zone der Entzündung umgeben ist. Im Zentrum des Tumors kommt es häufig zu Nekrosen (Gewebeuntergang), denn der Tumor wächst so schnell, dass die Blutversorgung im Zentrum nicht gewährleistet ist.
Nur etwa ein Prozent der Tumoren wächst exophytisch, das heißt, die Tumormasse sitzt dem Gewebe auf.
Eine Sonderform ist das verruköse (warzenförmige) Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle.

Weitere mögliche Symptome sind Blutungen, Fötor ex ore (Mundgeruch), mechanische Störung, Taubheitsgefühl oder Verlust benachbarter Zähne.
Allgemeine Symptome sind Leistungsabfall, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme.

In 20 bis 40 Prozent aller Erkrankungsfälle bilden sich Metastasen in den Halslymphknoten.

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

Zu den Hauptrisikofaktoren für die Entstehung eines Mundhöhlen-Plattenepithelkarzinoms zählen Nikotin und Alkohol. Ein Raucher hat ein 3-6-fach erhöhtes Risiko gegenüber einem Nichtraucher. Wird zusätzlich Alkohol konsumiert, erhöht sich das Risiko gegenüber dem Raucher, der nicht trinkt, noch einmal um 2,6 %. Der Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass der Alkohol die Mundschleimhaut permeabler (durchlässiger) für die Karzinogene (krebserregende Stoffe) des Tabaks macht.

Ein weiterer Risikofaktor ist das Kauen der Betelnuss.

Weitere wichtige Risikofaktoren sind: 

  • schlechte Mundhygiene
  • ein geschwächtes Immunsystem (Vorliegen einer Immunsuppression, bedingt durch eine immunsuppressive Erkrankung oder eine Therapie)
  • chronische mechanische Traumen
  • virale Infektionen
  • UV- und radioaktive Strahlung

Als wahrscheinliche Risikofaktoren gilt ein Mangel an Eisen, Folsäure oder Cobalamin, da dies durch eine Atrophie der oralen Mukosa (Mundschleimhaut) zu einer verminderten Schutzfunktion gegenüber karzinogenen Noxen führt.

Des Weiteren konnten in mehr als 50 % der Plattenepithelkarzinome in einer Studie (Cruz et al. 1996) humane Papillomaviren (HPV), zu mehr als zwei Drittel vom Typ 16, nachgewiesen werden. Ebenso wurden in mehr als der Hälfte der untersuchten Gewebeproben Epstein-Barr-Viren (EBV) festgestellt.

Mit Candida albicans (Pilzinfektion) infizierte Leukoplakien (sind Hautveränderungen, die aus einer weißlichen, begrenzten Veränderung der Schleimhäute bestehen, die in einen bösartigen Tumor übergehen können) oder Ulzera (Geschwüre) zeigen ein höheres Risiko der malignen Transformation (bösartige Entartung) als nicht infizierte Läsionen.

Als unabhängiger Risikofaktor gilt die Parodontitis. Bei Untersuchungen des Mikrobioms der Mundhöhle ließen sich in den Proben von Krebspatienten vermehrt Bakterienklassen nachweisen, die mit Parodontitis assoziiert sind [6].

Folgeerkrankungen

Wird das PEC der Mundhöhle mittels Radiatio (Strahlentherapie) behandelt, so können strahlenbedingte Folgeschäden auftreten. Dazu zählen unter anderem:

  • Radioxerostomie – strahlenbehandlungsbedingte Mundtrockenheit
  • Strahlenkaries
  • Radiogene Mukositis – strahlenbehandlungsbedingte Mundschleimhautentzündung
  • Infizierte Osteoradionekrose – strahlenbehandlungsbedingter Knochenuntergang mit einer Infektion desselben

Des Weiteren besteht bei Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle (OSCC) über einen längeren Zeitraum ein erhöhtes Risiko (+ 85 %), an einem weiteren Primärtumor (SPC = second primary cancer) zu erkranken [7].

Prognosefaktoren

  • Erfolgt die Behandlung eines Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle später als 6 Wochen nach der Diagnose, verschlechterten sich damit die Überlebenschancen um 18 % [8].

Diagnostik

  • Immunologischer Schnelltest zum Nachweis von Antikörpern gegen HPV 16 im Vollblut (In-vitro Diagnostik mit Prevo-Check: s. u. Prevo-Check® Schnelltest); der Test sollte nicht bei Personen durchgeführt werden, deren Impfung weniger als 6 Jahre zurückliegt. In solchen Fällen ist ein positives Ergebnis zu erwarten, auch wenn keine HPV16-Infektion vorliegt.
  • Bei Verdacht auf ein PEC wird zunächst eine Biopsie (Gewebeprobe) genommen und histologisch (feingeweblich) untersucht. Bestätigt sich der Verdacht eines Karzinoms, folgen weitere Untersuchungen. Dazu zählt zunächst die Suche nach Metastasen (Tochtertumoren).
  • Nach der Biopsie kommt das Staging (Stadienbestimmung): 
    • Eine Computertomographie (CT) und/oder Magnetresonanztomographie (MRT) inkl. Hals
      • zur Bestimmung der lokoregionären Tumorausdehnung
      • zur Suche nach verdächtigen Lymphknoten; ggf. Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Lymphknotenstationen. Hiermit können jedoch keine Mikrometastasen nachgewiesen werden.
    • Ein Röntgen-Thorax (Röntgenaufnahme des Brustkorbes) – bei fortgeschrittenen Tumoren (Befund bereits über 4 cm groß oder Befall von Nachbarorganen, z. B. Knochen) 
      • ggf. CT Thorax zum Ausschluss von Lungenmetastasen
    • Ggf. Abdomensonographie (Ultraschall der Bauchorgane)
    • Ggf. PET/CT – zur Suche nach Metastasen ("Kann-Empfehlung"; S3-Leitlinie)
    • Neuerdings wird zur weitergehenden Diagnostik des Mundhöhlenkarzinoms vorrangig die optische Kohärenztomographie (OCT) eingesetzt, die eine Abbildung von Gewebestrukturen in situ mit einer Auflösung im Mikrometerbereich ermöglicht und somit eine Beurteilung der Invasivität erlaubt.

Therapie

  • Anhand der durchgeführten Untersuchungen wird eine Therapieplanung gemacht. Diese beinhaltet fast immer die chirurgische Entfernung des Tumors. Ist nicht sicher, ob Mikrometastasen vorliegen, kann zunächst nur der Sentinel-Lymphknoten (Wächter-Lymphknoten) entfernt und untersucht werden. Nur bei Befall des Wächter-Lymphknotens erfolgt dann eine Neck-Dissection. Eine Neck-Dissection (Halspräparation) ist eine Radikaloperation mit Ausräumung aller Lymphknoten des Halses.
    Aktuelle S3-Leitlinie: Auch wenn die Lymphknoten in der Bildgebung unauffällig erscheinen, soll vorbeugend eine selek­tive Neck-Dissection durchgeführt werden, also eine operative Entfernung ausge­wählter Lymphknoten.
  • Bei fortgeschrittenem Stadium schließt sich mitunter eine Radiochemotherapie (Chemotherapie in Kombination mit einer Strahlentherapie) an die Operation an.
    Aktuelle S3-Leitlinie: Patienten im fortgeschrittenen Stadium mit PD-L1-exprimierenden Tumorzellen und mit gutem Allgemeinzustand sollen eine Immuntherapie (Pembrolizumab) erhalten, eventuell in Kombination mit einer Platin- und 5-Fluorouracil-Chemotherapie.
  • Regelmäßige Kontrollen sind unerlässlich, um den Erfolg der Therapie zu kontrollieren und ein eventuell auftretendes Rezidiv (Wiederauftreten des Tumors) frühzeitig zu erkennen.
  • Bei Patienten mit Rezidiven (Wiederauftreten der Erkrankung) von oralen Plattenepithelkarzinomen (OSCC) bestehen gute Chancen, wenn der Rezidivtumor operiert wird. Dabei profitieren besonders Patienten ohne Risikofaktoren wie initial positive Schrittränder oder extranodale ("außerhalb eines Lymphknotens") Ausdehnung vor einer Operation. Falls der Patient initial nicht bestrahlt wurde, kann nicht operierten Patienten eines Salvage-Radiatio nutzen [9].
    Hinweis: Unter einer Salvage-Radiatio versteht man eine Strahlentherapie zur „Rettung“ (engl. salvage = Bergung), wenn bei einem bösartigen Tumor die Erstbehandlung nicht angeschlagen hat oder es zu einem Rezidiv (Wiederauftreten) gekommen ist.

Weitere Empfehlungen

  • Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum) inkl. Passivrauchen – ggf. Teilnahme an einer Raucherentwöhnung
    • Von den Überlebenden rauchten 62 % noch zwei Jahre nach der Diagnose weiter. Wenn der Rauchstopp in den ersten sechs Monaten nach der Diagnose erfolgte, war der Rauchstopp am erfolgreichsten [10]. 

Literatur

  1. Das BR, Nagpal JK : Understanding the biology of oral cancer. Med Sci Monit 8 (2002) 258-267.
  2. Grötz KA: Zahnärztliche Betreuung von Patienten mit tumortherapeutischer Kopf-Hals-Bestrahlung. Gemeinsame Stellungnahme der DGZMK und DEGRO. DZZ 57 (2002)
  3. Schwenzer N, Ehrenfeld M: Zahn-Mund-Kieferheilkunde, Band 2, Spezielle Chirurgie, 3.Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 2002, S. 99-118.
  4. Shah JP, Johnson: Oral cancer. Martin Dunitz Verlag, London, 2003, S. 1-200, 459-478.
  5. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  6. Zhao H et al.: Variations in oral microbiota associated with oral cancer. Sci Rep. 2017; 7: 11773. Published online 2017 Sep 18. doi: 10.1038/s41598-017-11779-9
  7. Mroueh R et al.: Risk of second primary cancer in oral squamous cell carcinoma. Head Neck 2020; https://doi.org/10.1002/hed.26107
  8. Su WW et al.: Impact of treatment delay on survival of oral/oropharyngeal cancers: Results of a nationwide screening program. Head Neck 2020 https://doi.org/10.1002/hed.26504
  9. Chen TC et al.: Outcomes of salvage treatment in patients with recurrent oral squamous cell carcinoma. Head Neck 2021; https://doi.org/10.1002/hed.26862
  10. Van Heest T et al.: Persistent Tobacco Use After Treatment for Head and Neck Cancer JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online May 12, 2022. doi:10.1001/jamaoto.2022.0810

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 007-100OL), März 2021 Kurzfassung Langfassung
  2. Patientenleitlinie: Mundhöhlenkrebs; Ratgeber für Patientinnen und Patienten. September 2021. Leitlinienprogramm Onkologie

     
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