Stiftaufbauten

Mit Hilfe eines Stiftaufbaus werden wurzelkanalbehandelte Zähne, deren natürliche Zahnkrone stark zerstört ist, wieder aufgebaut, sodass sie im Anschluss mit einer Krone versorgt und dadurch erhalten werden können.

Ist die natürliche Krone eines Zahnes weitgehend zerstört, so ist mitunter nicht genügend Restzahnsubstanz vorhanden, um eine künstliche Krone daran zu befestigen. Grundvoraussetzung für einen Stiftaufbau ist ein wurzelkanalbehandelter Zahn, in dessen Wurzel der Stift verankert wird. Die Form eines indirekt im zahntechnischen Labor gefertigten Stiftaufbaus oder Materialien, mit denen ein direkt gesetzter Stift verkleidet wird, ermöglichen, einen künstlichen Zahnstumpf aufzubauen, der wiederum für die Aufnahme einer Teil- oder Vollkrone präpariert (beschliffen) werden kann. Auf diese Weise kann der stark zerstörte Zahn erhalten werden. Die neue Krone kann auch zur Verankerung einer Brücke dienen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Physiologisch belastete Frontzähne mit vertikalen Dentinwänden unter 2 mm
  • Unter erhöhter Belastung stehende Frontzähne mit vertikalen Dentinwänden über 2 mm 
  • Physiologisch belastete Seitenzähne mit einer erhaltenen Schmelzwand − diese können mit einer Teil- oder Vollkrone versorgt werden
  • Physiologisch belastete Seitenzähne mit erhaltenen Dentinwänden auch unter 2 mm − zu versorgen mit einer Vollkrone
  • Unter erhöhter Belastung stehende Seitenzähne mit einer erhaltenen Schmelzwand oder einer dreiflächigen Kavität − zu versorgen mit einer Teil- oder Vollkrone
  • Unter erhöhter Belastung stehende Seitenzähne mit erhaltenen Dentinwänden auch unter 2 mm − zu versorgen mit einer Vollkrone
  • Fast vollständiger Verlust der klinischen Zahnkrone: gegossener Stiftaufbau

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Insuffiziente (ungenügende) Wurzelfüllung − Diese sollte vor Versorgung mit einem Stiftaufbau ggf. erneuert werden.
  • Allergie auf Bestandteile − z. B. Metalllegierungen oder Befestigungsmaterial auf Kompositbasis
  • Geringer Substanzverlust bei endodontisch versorgten Frontzähnen − Diese können mit einer Kompositfüllung (Kunststofffüllung) adhäsiv stabilisiert und versorgt werden.
  • Geringer Substanzverlust bei endodontisch versorgten Seitenzähnen − Diese können mit einem Inlay oder einer Teilkrone in adhäsiver Befestigungstechnik stabilisiert werden.

Vor dem Verfahren

Vor der Anfertigung eines Stiftaufbaus muss klinisch und röntgenologisch abgeklärt sein, dass der Zahn symptomlos ist, keine apikalen Entzündungszeichen (Knochenauflösung an der Wurzelspitze) zeigt und die Wurzelfüllung suffizient ist (wandständig und bis zur Wurzelspitze reichend). Bei mehrwurzeligen Zähnen muss zunächst anhand der Röntgenaufnahme entschieden werden, ob nur einer oder mehrere Stifte gesetzt und in welcher Wurzel der oder die Stifte platziert werden sollen.

Die Verfahren

Zunächst wird mit Hilfe spezieller Bohrer, welche auf die im Anschluss verwendeten Stifte abgestimmt sind, die Wurzelfüllung bis zur gewünschten Stiftlänge entfernt. Die Tiefe der Bohrung bzw. die Länge des Wurzelstiftes sollte mindestens der Länge der späteren klinischen Krone entsprechen. Als Faustregel gilt, dass der Wurzelstift etwa 2/3 der Wurzellänge haben sollte. Dabei müssen jedoch apikal (wurzelwärts) mindestens 4 Millimeter des Wurzelkanalfüllmaterials erhalten bleiben. Auch muss darauf geachtet werden, dass die ohnehin stark reduzierte Zahnsubstanz nicht durch die Präparation für den Stift weiter geschwächt wird.

Die Präparationsgrenze der künftigen Krone muss aus Stabilitätsgründen mindestens 2 bis 3 Millimeter apikal (wurzelwärts) der auf der Restzahnsubstanz aufliegenden Basis des Stiftaufbaus gelegt werden.

I. Direktes Verfahren

Beim direkten Verfahren wird ein konfektionierter Wurzelstift vom Zahnarzt in den vorbereiteten Wurzelkanal eingesetzt, wobei die Befestigung entweder adhäsiv (mikromechanisch verankert, mit Kunststoff) oder mit konventionellen Zementen erfolgt. Der Stift ragt über das Niveau des zerstörten Zahnes hinaus und bietet so eine Retentionsfläche (Oberfläche zur chemischen oder mechanischen Verankerung), an welcher das Stumpfaufbaumaterial − z. B. Kunststoff − Halt findet. Der hiermit aufgebaute künstliche Zahnstumpf kann, einem natürlichen Zahn vergleichbar, zur Aufnahme einer laborgefertigten Krone präpariert (beschliffen) werden.

Als Materialien für einen direkten Stift kommen in Betracht:

  • Metallstifte
  • glas- und quarzfaserverstärkte Kompositstifte (Kunststoffstifte)
  • Wurzelstifte aus Zirkondioxidkeramik

Da ein Wurzelstift unter Zahnbelastung Scherkräften ausgesetzt ist, sind Stifte mit dentinähnlichem Elastizitätsmodul (mit dem Zahnbein ähnlichen Verhalten bei Spannung und Dehnung) sinnvoll − dies ist z. B. bei faserverstärkten Kompositen der Fall.

Neben den glatten, passiv zementierten Stiften gibt es auch aktive Stifte, die ein Gewinde aufweisen. Bei Verwendung dieser Stifte ist der primär erzielte Halt im Wurzelkanal größer, jedoch das Risiko einer Wurzelfraktur (Bruch) gegenüber den nicht-aktiven Stiftsystemen deutlich erhöht. Zu bevorzugen sind daher passive Stifte ohne Gewinde.

II. Indirektes Verfahren

Hier wird nach dem Entfernen der Wurzelfüllung ein konfektionierter Kunststoffstift eingesetzt, der lediglich der Übertragung der Stiftmaße in das zahntechnische Labor dient. Über den Stift wird eine Abformung des zu versorgenden Zahnes bzw. Kiefers genommen. Der Stift verbleibt im Abformmaterial.

Im zahntechnischen Labor wird ein Stiftaufbau in Wachs oder Kunststoff modelliert und anschließend in Metall gegossen. Der Stiftaufbau wird vom Zahnarzt mittels Zement im Wurzelkanal befestigt. Gegebenenfalls folgen eine Nachpräparation des Zahnes und eine erneute Abformung, auf deren Basis die Krone im Labor gefertigt wird.

Sowohl bei der direkten als auch bei der indirekten Herstellung erfolgt also im Anschluss an die Herstellung des Stiftaufbaus die Fertigung einer Krone im Labor, um den Zahn definitiv zu versorgen.

Mögliche Komplikationen

  • Perforation (Durchbohren) der Wurzelwand
  • Schwächung der Zahnhartsubstanz mit erhöhtem Frakturrisiko als Folge
  • Längsspaltung der Wurzel

Aufgrund der bestehenden Risiken und der Fortschritte in der adhäsiven Befestigungstechnik von Kompositen und Keramikversorgungen werden heute zunehmend nur noch große koronale Defekte (Substanzverluste der klinischen Zahnkrone) bei geringen Dentinwandstärken mit Stiftaufbauten versorgt.

Literatur

  1. Heidemann D (Hrsg): Endodontie. Praxis der Zahnheilkunde. Urban & Fischer Verlag; München/ 2001
  2. Ludwig P & Niedermeier W. (2002). Checkliste Prothetik (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  3. Gernet W, Biffar R, Schwenzer N, Ehrenfeld M & Beuer F. (2017). Zahnärztliche Prothetik (5. Auflage). Thieme Verlag.
  4. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  5. Kern M, Wolfart S, Heydecke G, Witkowski S & Türp JC. (2022). Curriculum Prothetik Bände 1-3 (5. Auflage). Quintessenz Verlag.