Röntgendiagnostik zur Kariesfrühdiagnostik

Die frühzeitige Erkennung kariöser Läsionen (Kariesstellen) stellt eine essenzielle Grundlage für eine minimalinvasive, präventiv orientierte Zahnheilkunde (vorbeugende Zahnmedizin) dar. Neben der visuellen und taktilen Inspektion (Betrachtung und Abtastung) ist die Röntgendiagnostik (Röntgenuntersuchung) ein unverzichtbarer Bestandteil der Kariesfrüherkennung – insbesondere bei approximalen Läsionen (Karies zwischen den Zähnen) und okklusalen Läsionen (Karies auf den Kauflächen) im Frühstadium, die klinisch oft nicht detektierbar sind.

Indikationen (Anwendungsgebiete) für die Röntgendiagnostik

  • Verdacht auf approximale Karies (Karies zwischen den Zähnen) ohne sichtbare klinische Zeichen
  • Initialläsionen (erste Anzeichen von Karies) im Milchgebiss und bleibenden Gebiss
  • Monitoring (Überwachung) von Läsionen unter Fissurenversiegelungen (Versiegelung von Zahngrübchen) oder Restaurationen (Zahnfüllungen)
  • Verlaufskontrolle (Beobachtung im Zeitverlauf) bei nicht-invasiv therapierten Initialläsionen
  • Risikopatienten (Patienten mit hohem Risiko) mit hoher Kariesaktivität oder reduzierter Mundhygiene

Geeignete Röntgenverfahren 

  • Bissflügelaufnahmen (Bitewings)
    • Goldstandard zur approximalen Kariesfrühdiagnostik (beste Methode zur Kariesfrüherkennung zwischen den Zähnen)
    • Darstellung von Läsionen im Dentinbereich (Zahnbein) bereits ab etwa 25 % Mineralverlust
    • Standardisierte Aufnahmetechnik für Vergleichbarkeit im Verlauf
  • Digitale intraorale Sensorik (digitale Sensoren im Mund)
    • Reduzierte Strahlendosis bei vergleichbarer oder höherer Bildqualität
    • Möglichkeit der digitalen Nachverarbeitung zur Kontrastverstärkung
  • Digitale Speicherfoliensysteme (digitale Röntgenfolien)
    • Hohe Detailerkennbarkeit bei breiter Einsatzmöglichkeit
    • Besonders geeignet in der Pädiatrie (Kinderzahnheilkunde) aufgrund besserer Handhabung
  • Panoramaschichtaufnahmen (OPG) (übersichtliches Röntgenbild des gesamten Kiefers)
    • Nicht primär zur Kariesfrühdiagnostik geeignet
    • Eher zur Übersichtsdarstellung des Gebisses bei zusätzlicher Indikation

Befundung und diagnostische Bewertung

  • Klassifikation der Läsionstiefe (nach Ekstrand et al. [1])
    • D0: keine Demineralisation (kein Mineralverlust)
    • D1: Schmelzläsion (Karies im Zahnschmelz)
    • D2: Läsion im äußeren Drittel des Dentins (oberflächliches Zahnbein)
    • D3: Läsion im mittleren/inneren Drittel des Dentins (tiefes Zahnbein)
  • Differenzierung (Unterscheidung) zwischen aktiver und inaktiver Karies durch Kombination mit klinischer Untersuchung erforderlich
  • Falsch-negative Befunde (nicht erkannte Karies) möglich bei okklusalen Läsionen ohne Approximalbeteiligung
  • Falsch-positive Befunde (scheinbare Karies) durch Überlagerungen, Artefakte oder Schmelzstrukturvarianten

Strahlenschutz und rechtliche Aspekte

  • Rechtfertigende Indikation (medizinisch begründete Notwendigkeit) gemäß § 83 Strahlenschutzgesetz zwingend erforderlich
  • ALARA-Prinzip („As Low As Reasonably Achievable“) (so wenig Strahlung wie möglich) muss konsequent umgesetzt werden
  • Individualisierte Intervallplanung (individuelle Zeitabstände) basierend auf Kariesrisiko und Alter (z. B. jährliche Bitewings bei hohem Risiko, alle 2 Jahre bei niedrigem Risiko)
  • Dokumentationspflicht (Pflicht zur schriftlichen Erfassung) von Indikation, Technik und Befund gemäß Röntgenverordnung (RöV)

Grenzen der Röntgendiagnostik

  • Eingeschränkte Sensitivität (empfindliche Erkennung) bei sehr frühen Initialläsionen im Schmelz
  • Keine Aussage zur Aktivität der Läsion möglich
  • Notwendigkeit der Ergänzung durch klinische Diagnostik, transilluminierende Verfahren (z. B. DIFOTI, NILT) oder Fluoreszenzverfahren (z. B. QLF, DIAGNOdent) in der erweiterten Diagnostik

Fazit

Die Röntgendiagnostik – insbesondere standardisierte digitale Bitewing-Aufnahmen (seitliche Röntgenbilder) – bleibt die zentrale bildgebende Methode zur Kariesfrühdiagnostik im approximalen Bereich (zwischen den Zähnen). Die Kombination mit individuellen Risikoprofilen, regelmäßiger Verlaufskontrolle und adäquatem Strahlenschutz ermöglicht eine präzise, patientenorientierte Diagnostik. Die Aussagekraft kann durch moderne Ergänzungsverfahren erweitert werden, ersetzt jedoch nicht die sorgfältige Indikationsstellung und klinische Befundung.

Literatur

  1. Ekstrand KR, Ricketts DNJ, Kidd EAM: Reproducibility and accuracy of three methods for assessment of demineralization depth of the occlusal surface: an in vitro examination. Caries Res. 1997;31(3):224-231. doi: 10.1159/000262404