Deckprothese (Cover Denture Prothese)

Eine Deckprothese (Synonyme: Cover-Denture-Prothese, Coverdenture, Overdenture, Hybridprothese, overlay denture) dient dem Ersatz der Zähne eines Kiefers. Sie ist kombiniert aus einem herausnehmbaren und einem oder mehreren fest im Mund sitzenden Elementen.

Eine Deckprothese stimmt in Form und Ausdehnung mit einer Totalprothese (Vollprothese) überein und wird wie diese nicht von Zähnen, sondern vom Kieferkamm bzw. der ihn bedeckenden Mundschleimhaut getragen. Im Gegensatz zu einer Totalprothese, die einen völlig zahnlosen Kiefer versorgt, existieren bei der Deckprothese aber noch einige wenige Zähne, die von der Prothese vollständig überdeckt werden. Der Restzahnbestand hat kaum Halte-, wohl aber Führungsfunktion für den Zahnersatz und bewirkt eine Stabilisierung gegenüber Kippbewegungen und horizontal einwirkenden Scherkräften.

Die Besonderheit einer Deckprothese besteht in sogenannten Resilienzteleskopen. Hierbei handelt es sich um Doppelkronen, deren Primärkrone fest auf den Zahn zementiert ist, während die Sekundärkrone in die Prothese eingearbeitet ist. Für eine Deckprothese haben Doppelkronen einen eingearbeiteten Resilienzspielraum: zwar sorgen parallelwandig Anteile der Kronen für eine definierte Ausrichtung, die Zähne werden jedoch nicht axial (in Wurzelrichtung) belastet, sodass die Prothese in die Kiefer- und Mundschleimhaut einsinken kann. Das Einlagern in die weiche Schleimhaut wird als natürliche Resilienz (Widerstandsfähigkeit) bezeichnet. Die Prothese ist wie eine Totalprothese schleimhautgetragen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Eine Deckprothese wird geplant, wenn in einem Kiefer nur noch wenige – in der Regel ein bis drei – Zähne vorhanden sind und diese parodontal (hinsichtlich des Zahnbetts) vorgeschädigt sind, sodass ihre Festigkeit nicht mehr ausreicht, um ihnen eine kautragende Belastung zuzumuten, wohl aber, um einen stabilisierenden Effekt auf die Lage der Prothese während des Kauvorgangs zu garantieren. Häufig handelt es sich um eine Versorgung, die den Übergang in die Zahnlosigkeit herauszögern soll.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Lockerungsgrad der Zähne ist größer als zwei
  • Zähne sind weniger als ein Drittel der Wurzellänge im Knochen verankert
  • Unverträglichkeit gegen Polymethylmethacrylat (Prothesenkunststoff)

Vor dem Verfahren

Vor der Versorgung mit einer Deckprothese werden die Erwartungen des Patienten an den neuen Zahnersatz abgeklärt. Der Patient wird über alternative Behandlungsmethoden wie z. B. eine Totalprothese (Vollprothese) oder präprothetische (der Zahnersatzanfertigung vorausgehende) chirurgische Eingriffe zur Verbesserung des Prothesenlagers beraten. Als Behandlungsalternative wird auch das Setzen von Implantaten zur Verankerung einer Prothese angesprochen.

Das Verfahren

Das Verfahren gliedert sich in etliche Behandlungsschritte, die wechselweise zwischen der Zahnarztpraxis (im Folgenden "ZA") und dem zahntechnischen Labor (im Folgenden "LAB") erfolgen.

I. Situationsabformung (ZA)

Die Abformungen der Kiefer werden mit genormten Abformlöffeln in der Regel mit Alginatabformmasse genommen.

II. Situationsmodelle (LAB)

werden durch Ausgießen der Alginatabformungen mit Gips hergestellt und dienen zur

  • Orientierung über die anatomischen Verhältnisse der Kiefer
  • Darstellung des Gegenkiefers, sofern nur ein Kiefer mit einer Deckprothese versorgt werden soll
  • Herstellung sogenannter individueller Abformlöffel aus Kunststoff, die den individuellen anatomischen Besonderheiten der Kiefer gerecht werden

III. Kronenpräparation (ZA)

  • Die mit Doppelkronen zu versorgenden Zähne werden unter Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) mit rotierenden Instrumenten so konturiert, dass keine unter sich gehenden Stellen das spätere Aufsetzen der fingerhutartig geformten Primärkrone stören. Der spätere Kronenrand wird knapp unter das Niveau des Gingivarandes (des Zahnfleischrandes) präpariert.
  • Präparationsabformung – beispielsweise mit additionsvernetzender Silikonmasse
  • Gesichtsbogenanlage – dient der Übertragung der arbiträren Scharnierachse des Unterkiefers (Verbindungslinie zwischen den Kiefergelenken) in einen sogenannten Artikulator (Geräte zur Simulation der Kiefergelenksbewegung), in dem die Prothese angefertigt wird
  • Versorgung der präparierten Zähne mit provisorischen Kronen

IV. Primärkronenherstellung (LAB)

  • Herstellen eines Präparationsmodells aus Spezialgips auf Basis der Präparationsabformung
  • Anfertigen der Primärkrone (Gusskrone aus einer Metalllegierung)
  • Herstellen des individuellen Abformlöffels
  • Anfertigen von Bissschablonen aus Kunststoff: Darauf aufgeschmolzene Wachswälle simulieren den künftigen Zahnbogen und orientieren sich zunächst an Mittelwerten.
  • Anfertigen von Registrierschablonen zur Bestimmung des Bisslage (ZA)

V.  Funktionsabformung (ZA)

  • Vor der Abformung mit Hilfe des angefertigten individuellen Löffels werden dessen Ränder korrigiert, sei es durch Kürzen des Materials mit der Kunststofffräse, sei es durch Auftragen mit zusätzlichem thermoplastischen Material: Das zunächst erwärmte Material wird in weichem Zustand auf den Löffel aufgebracht und erhärtet langsam im Mund, während der Patient Funktionsbewegungen (spezielle Bewegungen mit der mimischen Muskulatur und der Zunge) ausführt.
  • Funktionsabformung: Nach Positionierung des mit Abformmasse beschichteten Löffels im Mund führt der Patient bestimmte Funktionsbewegungen aus, um die Ränder funktionsgerecht auszuformen. Ziel der funktionellen Randgestaltung ist, dass sich die Randbereiche der neuen Prothese störungsfrei, gleichzeitig aber das Weichgewebe leicht verdrängend und dadurch gut abdichtend in das Vestibulum (Raum zwischen Kieferkamm und Lippen bzw. Wangen) und, sofern ein Unterkiefer versorgt wird, in den Sublingualbereich (Unterzungenbereich) einlagern. Die funktionelle Randgestaltung ist der entscheidende Schritt, mit dem ein zufrieden stellender Prothesenhalt über Adhäsion und Unterdruck erreicht werden kann.
  • Vor der Funktionsabformung werden die Primärkronen auf die präparierten Zähne gesetzt. Sie verbleiben nach der Abformung im Abformmaterial und werden so auf das nächste Arbeitsmodell des Labors übertragen.

VI. Trimmen der Wachswälle (ZA)

Die Wachswälle der Bissschablonen werden individualisiert und dreidimensional ausgerichtet:

  • In der Frontalansicht muss die künftige Okklusionsebene (Kauebene; Ebene, auf der die Zähne des Ober- und Unterkiefers zusammentreffen) parallel zur Bipupillarlinie (Verbindungslinie zwischen den Pupillen) liegen und
  • sich in Höhe des Lippenschlusses befinden.
  • In der Seitenansicht muss die Kauebene eine Parallele zur Camperschen Ebene (Bezugsebene am knöchernen Schädel: Verbindungsebene zwischen Spina nasalis anterior (Knochenspitze am vorderen Ende der Crista nasalis des Gaumenfortsatzes des Oberkiefers) und Porus acusticus externus/Öffnung des äußeren knöchernen Gehörgangs (Meatus acusticus externus) am Os temporale) bilden.
  • Die Höhe des einzelnen bzw. beider Wachswälle ist so zu gestalten, dass der Patient eine sogenannte Ruheschwebe von 2 bis 3 mm hat: bei entspannter Kaumuskulatur dürfen sich die Zähne nicht berühren.
  • Die Mittellinie wird in Anlehnung an die Mittellinie der Nase angezeichnet.
  • Die Eckzahnlinien werden in Anlehnung an die Nasenbreite angezeichnet.
  • Der obere Wachswall sollte bei leicht geöffnetem Mund und entspannter Oberlippe unterhalb der Oberlippe noch etwas zu sehen sein.
  • Die Lachlinie ist eine Orientierung für die künftige Grenze zwischen Zähnen und Gingiva (Zahnfleisch).

VII. Kieferrelationsbestimmung (ZA)

In derselben Behandlungssitzung wird ein intraorales Stützstiftregistrat erstellt: Mithilfe eines auf Bissschablonen montierten Metallstiftes zeichnet der Patient aktiv innerhalb des Mundes Unterkieferbewegungen auf eine farbbeschichtete Metallplatte auf. Bei Kiefergelenken ohne Bewegungseinschränkungen ergibt sich dabei ein sogenannter Pfeilwinkel. Die Bisschablonen des Ober- und Unterkiefers werden in einer bestimmten Position, die sich aus dem Pfeilwinkel ergibt, miteinander verschlüsselt. Auf diese Weise kann die dreidimensionale Lagebeziehung der Kiefer zueinander ins Labor übertragen werden. 

VIII. Auswahl der Frontzähne (ZA/LAB)

Farbe und Form der künftigen, fabriktechnisch hergestellten Frontzähne sollte auf jeden Fall in Zusammenarbeit mit dem Patienten ausgewählt werden, denn diesem wird es ansonsten schwerfallen, eine Prothese zu akzeptieren, deren Ästhetik sich nicht mit seinen Vorstellungen deckt. Länge und Breite der Zähne müssen sich dabei an den zuvor ermittelten Parametern wie Mittellinie, Lachlinie und Eckzahnlinie orientieren.

IX. Sekundärkronenherstellung und Wachsaufstellung (LAB)

  • Herstellung der Sekundärteile auf den Primärkronen – zunächst Modellation in Wachs, danach erfolgt die Umsetzung in eine gegossene Sekundärkrone. Bei dieser handelt es sich in der Regel um eine Verblendkrone, die mit gegossenen Seitenarmen im Prothesenkunststoff verankert wird.
  • Aufstellen der Prothesenzähne in Wachs, wobei der Zahnbogenverlauf dem des individualisierten Wachswalles entspricht.
  • Einarbeiten der Sekundärkronen in die Wachsaufstellung, wobei der Resilienzspielraum zwischen Primär- und Sekundärkronen umgesetzt werden muss.

X. Wachseinprobe (ZA)

Am Patienten erfolgt nun eine Einprobe der künftigen Prothese in Wachs. Da die Prothesenzähne auf einer Wachsbasis stehen, können noch Stellungskorrekturen vorgenommen werden.

XI. Fertigstellung  (LAB)

Nachdem ZA und Patient die endgültige Position der Front- und Seitenzähne ermittelt haben, wird die Prothese fertiggestellt. Bevor die Prothese in Kunststoff gepresst wird, sorgt der Zahntechniker bei künftigen Oberkieferprothesen durch einen "Kunstgriff" für eine noch bessere Saughaftung: eine ca. 2 mm breite, max. 1 mm tiefe Linie wird auf dem Meistermodell radiert (abgetragen), die am Übergang des harten Gaumens zum weichen Gaumen liegt: Die dorsale Abdämmung der künftigen Prothese verdrängt Weichgewebe und verhindert das Eindringen von Luft unter die Prothese, während sich der weiche Gaumen beim Sprechen bewegt.

Bei dem Prothesenmaterial handelt es sich um Kunststoff auf Polymethylmethacrylat-Basis (PMMA). Die Prothesenherstellung erfolgt unter Druck und Erwärmung, um einen möglichst hohen Polymerisationsgrad bzw. einen möglichst geringen Restmonomergehalt (Monomer: Einzelbestandteile, aus denen durch chemische Zusammenlagerung größere makromolekulare Verbindungen, die Polymere, entstehen) zu erzielen.

XII. Eingliederung der fertigen Prothese (ZA)

  • Die fertige gestellte Prothese wird dem Patienten einprobiert, wobei Korrekturen an Rändern, Okklusion (Schlussbiss) und Artikulationsbewegungen (Kaubewegungen) erforderlich sein können.
  • Befestigen der Primärkronen – Die Prothesenbasis (Unterseite) und Sekundärkronen werden zur Isolation gegen den Befestigungszement mit Vaseline beschichtet. Die präparierten Zähne werden gereinigt und trocken gelegt, die Primärkronen innen dünn z. B. mit Zinkphosphatzement ausgestrichen und anschließend unter Druck auf die Zähne gesetzt. Ausgepresste Zementüberschüsse werden sofort mit Schaumstoffpellets entfernt. Die Prothese wird über die Primärkronen in den Mund gesetzt. Während des Zementierens sind kleinste Wattepellets oder eine Metallfolie zwischen der Primär- und der Sekundärkrone erforderlich, die den Resilienzraum füllen, damit während der Zementhärtung Druck auf die Primärkronen ausgeübt werden kann.
  • Nach der Abbindezeit des Zements wird die Prothese herausgenommen und auf Zementreste kontrolliert. Das erste Herausnehmen kann auch mit einigen Stunden Abstand bei einem zusätzlichen Termin erfolgen.
  • Dem Patienten werden Pflegeempfehlungen für die neue Prothese gegeben.
  • Das Einsetzen und Herausnehmen der Prothese wird mit dem Patienten eingeübt.

XIII. Nachkontrolle (ZA)

Der Patient erhält einen kurzfristigen Termin zur Kontrolle möglicher Druckstellen, sowie die Empfehlung zur regelmäßigen Wiedervorstellung im empfohlenen Intervall, das sich am Zustand der Mundgesundheit orientiert.

Nach dem Verfahren

Der Zustand der Prothese und des Prothesenlagers (Hart- und Weichgewebe, auf dem die Prothese im Mund gelagert ist), das einer ständigen Veränderung unterliegen kann, sollte in halbjährlichen Intervallen kontrolliert werden. Durch eine rechtzeitige Unterfütterung der Prothese kann Schäden am Gewebe (z. B. Druckstellen oder Knochenabbau), aber auch Schäden an der Prothese (z. B. Ermüdungsrisse oder Prothesenbruch), vorgebeugt werden.

Mögliche Komplikationen

  • Druckstellen im vestibulären Bereich der Zähne (vestibulum: Raum zwischen Prothese und Lippen bzw. Wangen)
  • Druckstellen im Bereich der marginalen Gingiva (das die Zähne umgebenden Zahnfleischs), wenn nicht genügend Platz in der Kunststoffbasis für den Gingivawulst geschaffen wurde oder die Gingiva aufgrund mangelnder Zahnpflege entzündet, ödematös (geschwollen) ist.
  • Mangelnde Zahnpflege führt zum vorzeitigen Verlust des ohnehin parodontal (bezogen auf das Zahnbett) vorgeschädigten Restzahnbestands.
  • Vorzeitiger Prothesenbruch – Dem Patienten wird dringend empfohlen, vor dem Reinigen der Prothese Wasser ins Handwaschbecken einzulassen, damit diese sanft im Wasser landet, wenn sie beim Reinigen aus der Hand fällt.

Literatur

  1. Pospiech P: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2001: 73 ff
  2. Ludwig P & Niedermeier W. (2002). Checkliste Prothetik (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  3. Gründler H, Stüttgen U: Grundwissen für Zahntechniker. Band IV: Die Totalprothese. Verlag Neuer Merkur 2005: 225 ff
  4. Koeck B (Hrsg): Totalprothesen. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2005
  5. Gernet W, Biffar R, Schwenzer N, Ehrenfeld M & Beuer F. (2017). Zahnärztliche Prothetik (5. Auflage). Thieme Verlag.
  6. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  7. Kern M, Wolfart S, Heydecke G, Witkowski S & Türp JC. (2022). Curriculum Prothetik Bände 1-3 (5. Auflage). Quintessenz Verlag.

     
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