Prothesenhygiene

Zahnprothesen müssen wie die eigenen Zähne täglich gepflegt werden, um Beeinträchtigungen der Mundgesundheit durch Krankheitserreger zu vermeiden und um Ästhetik und Funktion des Zahnersatzes lange zu erhalten.

Eine ästhetisch aussehende, saubere Prothese trägt wie auch schöne eigene Zähne entscheidend zur Lebensqualität ihres Trägers bei. Wird die Prothesenhygiene vernachlässigt, sind Foetor ex ore (Halitosis; Mundgeruch) und protheseninduzierte Stomatitiden (Mundschleimhautentzündung) die Folge. Handelt es sich um partiellen Zahnersatz (Teilprothese), für dessen Halt noch eigene Zähne herangezogen werden können, so wirkt sich die Hygiene, die man dem Zahnersatz angedeihen lässt, auch auf den Restzahnbestand aus – im positiven wie im negativen Sinne. Denn Prothesenplaque (mikrobieller, der Prothese anhaftender Zahnbelag) kann zwangsläufig auch Karies (Zahnfäule) und Parodontitis (Zahnbettentzündung) an den verbliebenen eigenen Zähnen verursachen.

Oberflächenbeschaffenheit der Prothese

Vollprothesen und der Kunststoffanteil von partiellen Prothesen (Teilprothesen) bestehen in der Regel aus Acrylat. Dessen Oberflächenbeschaffenheit ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

  • von der Regelmäßigkeit der Pflege
  • von den verwendeten Hilfsmitteln
  • von der Verarbeitung im zahntechnischen Labor (Vermeidung von Schlupfwinkeln bei der Modelliertechnik, Oberflächenpolitur)

Probleme bei der Prothesenhygiene

Durch individuelle Pflegegewohnheiten und -fehler beeinflusst der Träger einer Prothese deren hygienischen Zustand entscheidend:

  • Prothesenplaque: Bei mangelnder Prothesenhygiene haftet weicher bakterieller Belag der Kunststoffoberfläche an.
  • Zahnsteinbildung: Wird Prothesenplaque nicht täglich entfernt, kann sie sich durch Einlagerung mineralischer Substanzen verfestigen.
  • Extrinsische Verfärbungen: Farbauflagerungen aus Nahrungs- und Genussmitteln wie Tee, Kaffee, Nikotin können sich absetzen.
  • Oberflächenschäden: Durch häufiges Austrocknen, starke Temperaturschwankungen des Wassers bei der Reinigung oder durch Lösungsmittel in falschen "Pflegemitteln" kann es zur Craquelierung (Bildung feinster Risse) des Kunststoffs kommen. In diese feinsten Oberflächenschäden dringen Mikroorganismen und zersetzbare Substanzen ein, die bei Abbau durch die Mikroorganismen zu Foetor ex ore (Halitosis; Mundgeruch) führen. Werden abrasive (schmirgelnde) Pasten und Bürsten mit scharfkantigen Borstenenden zur Reinigung verwendet, wird die Prothese in ihrer Oberfläche aufgeraut, wodurch Mikroorganismen, Zahnstein und Farbauflagerungen noch leichter Halt finden.
  • Prothesenstomatitis (Mundschleimhautentzündung): Bei mangelnder Mund- und Prothesenpflege wird das Wachstum von Prothesenplaque einschließlich des Sprosspilzes Candida albicans begünstigt. Candida albicans kann im Bereich der prothesenbedeckten Schleimhautareale eine Prothesenstomatitis auslösen. Ist es zur Erkrankung gekommen, wird eine medikamentöse Candida-Therapie erforderlich und die Prothese sollte nachts nicht getragen werden.
  • Regelmäßige Kontrollen: Nur durch regelmäßige Vorstellung beim Zahnarzt auch bei Beschwerdefreiheit kann dieser rechtzeitig Reparaturen oder die Aufarbeitung der Prothese veranlassen und so die Funktionstüchtigkeit und Hygienefähigkeit der Prothese möglichst lange erhalten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Indikation zur hygienischen Pflege einer Prothese stellt sich unabdingbar für jeden Prothesenträger zur Erhaltung der eigenen Mundgesundheit und der Funktionstüchtigkeit des Zahnersatzes.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Keine

Die Verfahren

Unabhängig von angewendeten Verfahren haben sich folgende Empfehlungen bewährt:

  • Mindestens einmal, besser zweimal täglich (morgens und abends) gründliche Reinigung der Prothese
  • Sofern noch eigene Zähne vorhanden sind, müssen auch diese zweimal täglich geputzt werden.
  • Die Putzzeit für die Prothese muss ausreichend lang bemessen werden, um alle Flächen von Plaque zu befreien.
  • Zwischendurch nach den Mahlzeiten gründliches Abspülen unter fließendem Wasser.
  • Auch zwischendurch vor Wiedereinsetzen der Prothese Ausspülen des Mundes

I. Mechanische Reinigung

Prothesenplaque (dem Zahnersatz anhaftendem mikrobieller Belag) kann durch die Kombination einer geeigneten Bürste mit einer speziellen, wenig abrasiven (schmirgelnden) Prothesenzahnpasta oder mit einem Reinigungsschaum recht effektiv mechanisch entfernt werden, sofern alle Prothesenflächen und Nischen erfasst werden und die Putzzeit ausreichend lange bemessen wird.

  • Bürste: Spezielle Prothesenbürsten werden durch verschieden lange Borstenbereiche der geschwungenen Prothesenform gerecht. Deswegen ist eine herkömmliche Zahnbürste mit gleichmäigem Borstenfeld weniger geeignet. Allerdings sind Zahnbürsten mit weicheren und somit Prothesen schonenderen Borsten erhältlich. Bei der Auswahl einer Bürste sollte man in jedem Fall achten, dass die Enden der Monofilamente (der einzelnen Borsten) nicht scharfkantig zugeschnitten, sondern abgerundet sind, denn andernfalls kann die Kunststoffoberfläche zerkratzt und aufgeraut werden. Prothesenbürsten sind mit zweiseitig angeordneten Borstenfeldern erhältlich, wobei mit dem zweiten, deutlich kleineren Feld Verankerungselemente wie Teleskopkronen oder Geschiebe im Zahnersatz besser erreicht werden. Ergänzend kann hierzu auch eine noch schmalere Einbüschelbürste verwendet werden.
  • Prothesenpaste: Durch die Verwendung eigens für Prothesen hergestellter "Zahnpasten" (z. B. Perlodent® med Dritte Zähne Zahncreme) wird sichergestellt, dass der Prothesenkunststoff durch die Paste nicht abradiert (abgeschmirgelt) oder aufgeraut wird. Herkömmliche Zahnpasten sind in ihrem Abrasionsverhalten an den beträchtlich härteren Zahnschmelz angepasst. Zahnpasten für Hypersensibilitäten (empfindliche Zahnhälse) sind der Dentinhärte (Härte des Zahnbeins) angepasst und somit weniger abrasiv, für den weicheren Prothesenkunststoff dennoch ungeeignet.
  • Reinigungsschaum: Eigens für Prothesen hergestellter Reinigungsschaum ohne abradierende Putzkörper (schmirgelnde Substanzen) wird alternativ zur Prothesenpaste für circa eineinhalb Minuten durch Bürsten auf den Prothesenflächen verteilt (z. B. Corega®, Purfrisch®).

II. Chemische Reinigung

Ebenso wie Bürste und Paste erfreuen sich auch mit Tabletten oder Pulver angesetzte chemische Reinigungslösungen großer Akzeptanz. Aufgrund ihrer desinfizierenden und reinigenden Wirkung sind sie empfehlenswert, da sie auch Keime in Nischen und Schlupfwinkeln erreichen, die von der mechanischen Reinigung nicht erfasst werden. Allerdings sollte das Verfahren immer in Kombination mit einer mechanischen Bürstenreinigung durchgeführt werden:

  • Vorreinigung: Vor dem Einlegen der Prothese in die angesetzte Lösung sollten Nahrungsreste und Plaque so weit wie möglich mit der Bürste unter fließendem Wasser entfernt werden.
  • Die Lösung wird lauwarmem – nicht mit heißem! – Wasser und einer Reinigungstablette bzw. Pulverportion angesetzt.
  • Einwirkzeit: nach 10 bis 15 Minuten sind alle chemischen Reaktionsprozesse abgelaufen. Eine längere Liegezeit in der Lösung führt nicht zu einem besseren Reinigungsergebnis. Spezielle Pulverprodukte versprechen einen beschleunigten Ablauf innerhalb nur einer Minute (z. B. Kukident® Professionell 1 Minute).
  • Nachreinigung: Sollten nach dem Tauchbad gelöste Plaque- und Zahnsteinreste auf der Prothese zurückgeblieben sein, werden diese durch erneutes Bürsten unter fließendem Wasser entfernt. In jedem Fall sollte die Desinfektionslösung unter Wasser abgespült werden, da ihre Inhaltsstoffe nicht für den Kontakt mit der Mundschleimhaut geeignet sind und Irritationen (Reizungen) auslösen können.
Inhaltsstoffe von Prothesenreinigern Substanzklasse Wirkung
Alkylarylsulfonate, Alkylsulfate, Alkylsulfoacetate Tenside emulgierend und dispergierend (zerstreuend)
PolycarbonsäurenCitrate EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) Komplexbildner, Gerüststoffe reinigend und stabilisierend
Perborat, Persulfat, Percarbonat Per-Verbindungen desinfizierend (Keim reduzierend) und bleichend durch Freisetzung von aktivem Sauerstoff, desodorierend
Proteasen Enzyme Eiweißspaltung zur Verbesserung der Reinigungsleistung
Zitronensäure, Amidoschwefelsäure Säuren  pH-Regulierung
Natriumcarbonat, Natriumhydrogencarbonat   Alkalisalze, CO2-Abspalter Sprudeleffekt durch Reaktion mit Säuren zur schnelleren Ablösung mineralisch verfestigter Ablagerungen
Farbstoffe   Farbumschlag zeigt das Ende des Reinigungsvorgangs an

Tabelle [7]

III. Ultraschallreinigung:

Ultraschallbäder werden zur Prothesenreinigung im zahnärztlichen Labor verwendet, sind aber auch für den Hausgebrauch erhältlich und sehr empfehlenswert, insbesondere wenn die Geschicklichkeit der Hände aufgrund einer Behinderung oder aus Altersgründen eine adäquate Prothesenreinigung mit der Bürste nicht zulässt. Dem Ultraschallbad werden chemische Prothesenreiniger zugesetzt.

Mögliche Komplikationen

  • Prothesenbruch: Die Prothese kann während des Reinigens aus der Hand gleiten und beim Aufprall im Waschbecken Sprünge oder Abplatzungen davontragen. Deshalb vor Beginn immer etwas Wasser ins Waschbecken einlassen!
  • Elastizitätsverlust: Elastische Materialien zur weich bleibenden Unterfütterung von Prothesen verlieren mit der Zeit an Elastizität. Prothesenreiniger können diesen Prozess ungünstig beeinflussen.
  • Blassfärbung: Das Ausbleichen elastischer Unterfütterungsmaterialien durch zu hoch dosierte Prothesenreiniger ist heute dank der vorgegebenen Dosierungen in Form von Tabletten oder portionierten Pulverpackungen kaum noch zu beobachten.
  • Irritationen: Prothesenreiniger können zu Reizungen der Haut, der Augen und der Mundschleimhaut führen
  • Korrosion: Metallische Anteile partieller Prothesen (von Teilprothesen) können korrodieren. Bei Prothesenreinigern der neuen Generation (z. B. Corega® Tabs® Teil-Dritte) stellt sich dieses Problem in der Regel nicht.

Literatur

  1. Herstellerinformationen der GlaxoSmithKline GmbH & Co KG
  2. Herstellerinformationen der Reckitt Benckiser Deutschland GmbH
  3. Ludwig P & Niedermeier W. (2002). Checkliste Prothetik (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  4. Marxkors R, Geis-Gerstorfer J, Meiners H: Taschenbuch der zahnärztlichen Werkstoffkunde. Deutscher 2006: 120
  5. Reitemeier B, Schwenzer N, Ehrenfeld M: Einführung in die Zahnmedizin. 2006: 243
  6. Gernet W, Biffar R, Ehrenfeld M, Schwenzer N: Zahnärztliche Prothetik. Georg Thieme Verlag 2007: 184
  7. Umbach W: Kosmetik und Hygiene. Wiley-VCH Verlag 2012: 223
  8. Gernet W, Biffar R, Schwenzer N, Ehrenfeld M & Beuer F. (2017). Zahnärztliche Prothetik (5. Auflage). Thieme Verlag.
  9. Roulet JF, Fath S & Zimmer S. (2017). Zahnmedizinische Prophylaxe (5. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
  10. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  11. Hellwege KD. (2018). Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe (7. aktualisierte und erweiterte Aufl.). Thieme Verlag.
  12. Kern M, Wolfart S, Heydecke G, Witkowski S & Türp JC. (2022). Curriculum Prothetik Bände 1-3 (5. Auflage). Quintessenz Verlag.

     
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