Keimreduktion mit photoaktivierter Chemotherapie (PACT)

Eine Anwendungsmöglichkeit von Lasersystemen in der Medizin ist die photoaktivierte Chemotherapie (PACT) (Synonyme: antimikrobielle photodynamische Therapie, aPDT, PACT®, photodynamische Therapie, photoaktivierte Therapie), die sich die photochemischen Wechselwirkungen zwischen Laserlicht geringer Intensität und einem Photosensitizer mit dem Ziel der Inaktivierung von Keimen zunutze macht.

Lasersysteme kommen in der Medizin heutzutage vielfältig zur Anwendung. Ein wichtiger Platz nimmt die photodynamische Therapie in der Krebsbehandlung ein.

Für die photoaktivierte Chemotherapie sind Dioden-Softlaser mit geringer Energie und Leistung bei großer Wellenlänge (635-810 nm) und ein sogenannter Photosensitizer sowie die Anwesenheit von Sauerstoff erforderlich.

Ein Laser gibt kohärentes monochromatisches Licht ab, das heißt alle Laserstrahlen haben die gleiche Frequenz und Wellenlänge. Die Leistung der Softlaser liegt in der Regel nur bei 30 bis 100 mW. Die Wellenlänge ist abhängig vom Halbleitermaterial der emittierenden Leuchtdiode. Bei dem PACT® 200 Laser handelt es sich um einen Softlaser der Wellenlänge 635 nm, die auf den Photosensitizer Toluidinblau abgestimmt ist. Das Gerät wird in einer komfortablen Handstückform angeboten.

Photosensitizer sind Farbstoffe, die durch Laserlicht in energetisch höhere Zustände versetzt werden, welche die Voraussetzung für den weiteren Verlauf der chemischen Reaktionen sind. Bei der Endotherapie (Wurzelkanalbehandlung) werden sie flüssig in das Wurzelkanalsystem eingebracht (z. B. PACT® Fluid Endo), während für andere Anwendungsbereiche eine gelartige Konsistenz geeignet ist (z. B. PACT® Gel). Die Photosensitizer zeigen ohne Belichtung keine antimikrobielle oder fungizide Wirkung. Üblicherweise werden folgende Phenothiazin-Derivate verwendet:

  • Toluidinblau (Toloniumchlorid, TBO) – wie z. B. beim PACT®-Laser
  • Methylenblau

Wirkungsweise

Der Photosensitizer wirkt zunächst auf das infizierte Gewebe ein. Dabei bindet er chemisch an Oberflächenstrukturen der Zielzellen. Nach der Einwirkzeit werden die Moleküle des Photosensitizers durch Laserlicht geringer Intensität in den energiereicheren, angeregten Singulett-Zustand versetzt und dadurch aktiviert. Hochreaktiver Sauerstoff (Singulett-Sauerstoff) wird gebildet. Durch Oxidation (Sauerstoffbindung) mikrobieller Zellkomponenten wie Zellwände und -membranen, Proteine, Lipide, Nukleinsäuren u. a. werden die Keime irreversibel geschädigt. Verschiedenartige Bakterienstämme haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Oberflächenstruktur unterschiedliche Affinitäten zu den verschiedenen Photosensitizern. Insbesondere pathogene Anaerobier (krank machende Keime, die bei Sauerstoffarmut gedeihen) werden sehr gut durch den hochreaktiven Singulett-Sauerstoff inaktiviert. In gesundem Körpergewebe hingegen wird die toxische Wirkung nicht entfaltet, sodass körpereigene Zellen geschont werden.

Die photoaktivierte Chemotherapie gilt als:

  • universell einsetzbar
  • schmerzfrei in der Anwendung
  • sicher
  • frei von Nebenwirkungen
  • frei von Beeinträchtigungen der an den infizierten Bereich angrenzenden Hart- und Weichgewebe

Folgende pathogene (krankmachende) Bakterien des Mundraumes können mittels der PACT-Therapie eliminiert werden:

  • Streptococcus mutans
  • Total streptococcus
  • Streptococcus sobrinus
  • Streptococcus intermedius
  • Actinomyces
  • Lactobacillus
  • Prevotella intermedia
  • Peptostreptococcus micros
  • Fusobacterium nucleatum
  • Enterococcus faecalis

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die antimikrobielle photodynamische Therapie dient der Breitbanddesinfektion durch Inaktivierung verschiedenster pathogener Erreger (krankmachender Keime), die Biofilme auf Zahnoberflächen, in Zahnfleischtaschen, auf Implantatoberflächen bzw. auf Wundflächen bilden:

  • Parodontitis (entzündliche Erkrankung des Parodonts/Zahnhalteaaparats): Therapie in der Zahnfleischtasche des parodontal geschädigten Zahnes (mit Zahnbettentzündung) in Unterstützung der mechanischen Reinigung (Zahnstein- und Konkremententfernung, Vector®-Methode)
  • Periimplantitis (Zahnbetterkrankungen im Bereich von Implantaten): für die geschlossene Anwendung und zur Unterstützung der offenen chirurgischen Sanierung einer Implantatbettentzündung
  • Infektionen der Weichgewebe: Unterstützung der Wundheilung durch die photodynamische Therapie z. B. bei postoperativen entzündlich bedingten Wundheilungsstörungen
  • Herpes: die photodynamische Therapie begünstigt ein schnelleres Abheilen oraler Weichgewebsinfektionen mit Herpes simplex (Viruserkrankung mit typischer Bläschenbildung z. B. im Lippenbereich)
  • Endotherapie: Die Wurzelkanäle eines Zahnes mit den davon ausgehenden Dentinkanälchen (im Zahnbein) sind ein sehr komplexes und für Desinfektionsmaßnahmen schwer zugängliches System. Hier unterstützt die photodynamische Therapie die mechanische Aufbereitung und chemische Desinfektion mittels Spüllösungen bzw. medikamentösen Einlagen.
  • Alternative zu Antibiotika: Die Zunahme von Resistenzen gegen Antibiotika zwingt die Medizin umzudenken und andere antimikrobielle (gegen Keime wirkende) Therapiemöglichkeiten auszuschöpfen. So ist die photoaktivierte Therapie insbesondere bei behandlungsresistenten Infektionen angezeigt.
  • Kavitätendesinfektion: Anstelle der Desinfektion eines für eine Füllung vorbereiteten Zahnes z. B. mit Chlorhexidin kann die Desinfektion mit PACT® erfolgen.
  • Karies: Durch die photodynamische Desinfektion kariösen Dentins (von Zahnfäule betroffenen Zahnbeins) bietet sich die Möglichkeit einer Substanz schonenderen Exkavation (Entfernen kariöser Substanz durch Bohren) insbesondere bei Caries profunda (tiefe Karies in Nähe des Zahnmarks/Zahnnervs).
  • Candidiasis: Infektion mit dem Sprosspilz Candida albicans, beispielsweise auf den von Zahnprothesen abgedeckten Weichgeweben in Form einer Prothesenstomatitis
  • orale Stomatitiden: Therapie von Weichgewebeinfektionen der Mundhöhle mit verschiedensten Erregern als Krankheitsursache

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Es sind keine spezifischen Kontraindikationen für die PACT-Therapie bekannt. Jedoch ist eine individuelle Bewertung des Patienten vor der Behandlung unerlässlich, um die Eignung und mögliche Risiken abzuschätzen.

Vor der Behandlung

  • Für die Parodontitis- bzw. Periimplantitis-Therapie werden Zahn- bzw. Implantatoberflächen mechanisch gereinigt, z. B. mit Ultraschallinstrumenten oder subgingivaler (unterhalb des Zahnfleischrandes in der Zahnfleischtasche) Pulverstrahlreinigung auf Glycinbasis.
  • Für die Kariestherapie werden zunächst kariös befallener Zahnschmelz und erweichtes Dentin (Zahnbein) schonend entfernt.
  • Für die Endotherapie werden die Wurzelkanäle mechanisch aufbereitet und mit desinfizierenden Lösungen, z. B. Natriumhypochlorit, gespült. Danach werden die Kanäle konditioniert und mit Papierspitzen getrocknet.
  • Weichgewebeinfektionen werden mechanisch z. B. mithilfe von Tupfern gereinigt.

Das Verfahren

  • Zunächst wird der Photosensitizer – beim PACT®-System Toluidinblau – auf das zu behandelnde Gebiet aufgetragen und eingearbeitet (z. B. mithilfe eines Minibürstchens bei der Kariestherapie).
  • Innerhalb einer indikationsabhängig definierten Einwirkzeit (60-120 Sek.) reichert sich der Photosensitizer im Gewebe an und geht eine chemische Verbindung zu den Oberflächen der Keime ein.
  • Vor der Laseranwendung wird eine geeignete Schutzbrille aufgesetzt.
  • Danach erfolgt die Bestrahlung mit dem Softlaser über einen wiederum indikationsabhängig definierten Zeitraum (in der Regel 30 Sekunden, bei der Endotherapie auch deutlich länger) und mit einem für den Anwendungsbereich geeigneten Lichtleiter (z. B. PACT® Universal, Endo, XL). Bei der Endotherapie ist darauf zu achten, dass die Kanäle über ihre gesamte Länge bestrahlt werden müssen.
  • Bei der Endotherapie wird die Photosensitizer-Lösung vor der abschließenden Wurzelkanalfüllung durch Spülung z. B. mit Natriumhypochlorit oder destilliertem Wasser wieder entfernt.

Nach der Behandlung

Nach der Anwendung der photoaktiven Chemotherapie in verschiedenen medizinischen Bereichen, wie Parodontitis- und Periimplantitistherapie, Kariestherapie, Endotherapie oder bei der Behandlung von Weichgewebeinfektionen, sind spezifische Nachsorgemaßnahmen von Bedeutung:

  • Parodontitis und Periimplantitis: Nach der PACT-Therapie ist eine regelmäßige Nachuntersuchung und gegebenenfalls weitere mechanische Reinigung erforderlich, um den langfristigen Erfolg der Behandlung sicherzustellen.
  • Kariestherapie: Nach der Desinfektion des betroffenen Bereichs erfolgt üblicherweise die Füllung oder weitere restaurative Maßnahmen.
  • Endotherapie: Nach der Desinfektion des Wurzelkanalsystems wird der Kanal mit einer geeigneten Füllung versiegelt.
  • Weichgewebeinfektionen: Die Nachsorge beinhaltet die Überwachung des Heilungsverlaufs und gegebenenfalls eine weitere Behandlung, um ein schnelles Abheilen zu gewährleisten.

Mögliche Komplikationen

Obwohl die photoaktivierte Chemotherapie als sicher und weitgehend frei von Nebenwirkungen gilt, können in einigen Fällen dennoch Komplikationen auftreten:

  • Frühkomplikationen:

    • Lokale Reaktionen: Selten können am Behandlungsort milde Reaktionen wie Rötungen oder leichte Schwellungen auftreten.
    • Lichtsensibilitätsreaktionen: Aufgrund der Verwendung von Photosensitizern kann es zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit in den behandelten Bereichen kommen.
  • Spätkomplikationen:

    • Rezidive: Bei nicht ausreichender Eliminierung der pathogenen Keime kann es zu einem Wiederauftreten der Infektion kommen.
    • Resistenzentwicklung: Obwohl die PACT-Therapie als Alternative zu Antibiotika gilt, ist eine potenzielle Resistenzentwicklung gegenüber der Behandlung nicht vollständig auszuschließen.

Literatur

  1. Herstellerinformationen der Cumdente GmbH Tübingen
  2. Heidemann D. (2007). Parodontologie (4. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  3. Erb S: Desinfektion artifiziell infizierter boviner Wurzelkanäle in vitro mittels antibakterieller photodynamischer Methoden. Dissertation Universität Regensburg 2012
  4. Meyer-Lückel H, Paris S & Ekstrand KR. (2012). Karies: Wissenschaft und Klinische Praxis (ZMK Praxis) (1. Edition). Thieme Verlag.
  5. Müller HP. (2012). Checklisten der Zahnmedizin Parodontologie (3. Aufl.). Thieme Verlag.
  6. Bach G. (2014). Laserzahnheilkunde: Ein Arbeitsbuch für die tägliche Praxis – vom ersten Interesse bis zur Integration (2. Aufl.). Spitta GmbH
  7. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  8. Eickholz P. (2021). Parodontologie von A bis Z (2. Aufl.). Quintessence Publishing.

     
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