Lingualtechnik

Bei der Lingualtechnik handelt es sich um eine kieferorthopädische Behandlungsmethode mit festsitzenden Apparaturen, die sich aus Brackets und Drahtbögen zusammensetzen. Aus ästhetischen Gründen werden bei der aufwendigen Lingualtechnik die Brackets auf den zur Zunge gewandten Innenflächen der Zähne aufgeklebt, während sie bei der gängigeren Labialtechnik (Brackets werden auf die Außenfläche der Zähne geklebt) im sichtbaren Bereich zur Lippe hin positioniert sind.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die beiden Methoden unterscheiden sich nicht hinsichtlich des Behandlungsergebnisses, sondern durch die Ästhetik während der Tragezeit der Apparaturen und dem sich daraus ergebenden höheren technischen Aufwand sowohl im zahntechnischen Labor als auch beim Kleben der Brackets und Wechseln der Bögen im Verlauf der gesamten kieferorthopädischen Behandlung.

Eine lingual festsitzende Apparatur kommt beispielsweise bei folgenden Indikationen zum Einsatz:

  • Drehstand von Zähnen
  • Wurzelkippungen
  • Zähne, die nicht nur aufgerichtet, sondern körperlich bewegt werden müssen
  • Behandlung von Erwachsenen
  • höchster ästhetischer Anspruch

Hinsichtlich des Patientenkomforts steht die Lingualtechnik der Labialtechnik insofern etwas nach, als zu Behandlungsbeginn Sprechstörungen wie Lispeln und Irritationen der Zunge aufgrund des eingeengten Zungenraums auftreten können. Leseübungen für zwei Wochen trainieren die Zungenmuskulatur um. Außerdem geht damit der Vorteil einher, dass beispielsweise das Habit (schädliche Angewohnheit) des Zungenpressens abtrainiert wird und durch das Pressen bedingte Zahnlücken leichter geschlossen werden können.

Ein weiterer Nachteil der Lingualtechnik entpuppt sich auf den zweiten Blick ebenfalls als Vorteil: Lingualbrackets stören die Okklusion (jeder Kontakt zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers) häufiger als auf der Außenseite verklebte Brackets. Letztlich werden aber dadurch die Zähne aus ihrer Verzahnung mit dem Gegenkiefer gelöst und können so viel leichter bewegt werden, als wenn sie bei jedem Zusammenbeißen wieder in die ursprüngliche Position gedrängt würden.

Das Verfahren

Die Lingualtechnik ist sowohl für den Behandler als auch für das kieferorthopädische Labor technisch aufwendig, was durch die schlechtere Zugänglichkeit der Lingualflächen und durch den geringeren Bracketabstand zueinander auf der Zahnbogeninnenseite bedingt ist. Zudem ergeben sich durch den Kraftangriff auf der Lingualseite biomechanische Besonderheiten.

Der Arbeitsablauf in der Lingualtechnik gestaltet sich wie folgt:

  • Abformungen des Ober- und Unterkiefers
  • Bissnahme, mit der die Kiefer im Labor in die korrekte dreidimensionale Beziehung zueinander gebracht werden
  • Herstellen von Gipsmodellen im Labor
  • Set up: die Gipszähne werden vereinzelt und, aufgestellt in einem idealen Zahnbogen, in Wachs fixiert;
  • auf den Innenseiten der Gipszähne werden die Lingualbrackets positioniert
  • Herstellung einer Übertragungsschiene aus Kunststoff: die Brackets verbleiben in der Schiene in ihren korrekten Positionen; dann werden sie mithilfe der Schiene auf den Patienten transferiert
  • indirekte Klebetechnik: die Brackets werden im Patientenmund nach Zahnreinigung und chemischer Konditionierung (zur Verbesserung der Haftkraft) des Zahnschmelzes verklebt; da dies mithilfe der Übertragungsschiene vonstattengeht, spricht man von indirekter Klebetechnik. Die Genauigkeit bei diesem Arbeitsschritt beeinflusst das Behandlungsergebnis sehr.
  • Einsetzen des ersten Führungsbogens in die Slots (Einkerbungen) der Brackets

Im weiteren Verlauf der mehrmonatigen festsitzenden Behandlung werden in regelmäßigen Abständen neue Führungsbögen in unterschiedlicher Dimensionierung und davon abhängiger Krafteinwirkung ligiert (eingebunden). Da der Lingualraum auch hierfür schwer zugänglich ist, erleichtern spezielle selbstligierende Brackets die Behandlung.

Um das Behandlungsergebnis zu sichern, schließt sich nach der festsitzenden Behandlung eine langfristige Retentionsphase mit herausnehmbaren Geräten, die in der Regel nachts getragen werden, und/oder festsitzenden Retainern (Draht auf der Innenseite der Schneidezähne) an.

Literatur

  1. Diedrich P. (2000). Kieferorthopädie I-III (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
  2. Knak S. (2003). Praxisleitfaden Kieferorthopädie (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
  3. Raiman J (Hrsg): High-End Kieferorthopädie in Hannover. All Dente Verlag 2006
  4. Ludwig B, Glasl B, Bock F, Bock J, Goldbecher H, Lietz T: Selbstligierende Brackets: Konzepte und Behandlung. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2009
  5. Sander FG, Schwenzer N, Ehrenfeld M, Ahlers MO, Bantleon HP. (2011). Kieferorthopädie (2., neu erstelle und erweiterte Aufl.). Thieme Verlag.
  6. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.

     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage ür Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

ArztOnline.jpg

DocMedicus
Gesundheitsportal

 

Unsere Partner