Kunststofffüllung (Kompositfüllung)

Kunststofffüllungen (Kompositrestauration) dienen der zahnfarbenen Versorgung kariöser Defekte sowohl im Frontzahn- als auch im Seitenzahnbereich. Sie werden in plastischem Zustand in die Kavität (das Loch) eingebracht und erhärten dort durch Polymerisation (chemische Abbindung). Dabei gehen sie bei Anwendung der Dentin-Adhäsivtechnik einen mikromechanischen Verbund mit der Zahnsubstanz ein.

Die Vorteile einer Kunststofffüllung im Vergleich zu einer Amalgamfüllung bestehen in:

  • der Möglichkeit der zahnfarbenen Versorgung
  • der Stabilisierung der Zahnsubstanz durch den dentinadhäsiven (dem Zahnbein anhaftenden) Verbund
  • im Gegensatz zu Amalgam quecksilberfrei und
  • dem Verzicht auf Zahnsubstanz fordernde Unterschnitte, mit denen eine Amalgamfüllung gegen Abzugskräfte im Zahn verkeilt werden muss.

Ihre Nachteile liegen in der vergleichsweise zeitaufwendigen Mehrschichttechnik, mit der der Schrumpfung des Kompositmaterials während der Polymerisation (chemischen Abbindung) entgegengewirkt werden muss. Außerdem steht das Material hinsichtlich seiner Bioverträglichkiet in der Diskussion. Nachgewiesenermaßen sind Komposite Kontaktallergene, ein Problem, das in erster Linie das zahnärztliche Personal betrifft, da die Allergisierungsgefahr vom noch nicht polymerisierten (chemisch erhärtetem) Material ausgeht.

Kompositmaterial

I. Bestandteile

Kunststoffe (Komposite) zur Füllungstherapie setzen sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:

1. Organische Matrix, bestehend u. a. aus:

  • verschiedenen Methacrylaten (Bis-GMA, UDMA) als Monomermoleküle (Kunststoffgrundbausteine),
  • Verdünnern zur besseren Verarbeitbarkeit (Komonomere TEGDMA und EGDMA)
  • Initiatoren (z. B. Benzoylperoxid, Kampherchinon), die durch die Freisetzung von freien Radikalen die chemische Abbindereaktion in Gang setzen
  • Akzeleratoren zur Beschleunigung der Abbindereaktion
  • Farb- und anderen Stabilisatoren
  • Siliciumdioxidclustern, die die Abbindeschrumpfung der Matrix verringern
  • Nanopartikeln, 2 bis 3 nm groß, zur Verbesserung der Biegefestigkeit, der Transluzenz (partiellen Lichtdurchlässigkeit) und der Bioverträglichkeit

2. Anorganische Füllstoffe verbessern etliche Materialeigenschaften wie z. B. die Abrasionsbeständigkeit (Abriebbeständigkeit), Schrumpfung, Bruchfestigkeit u. v. m.:

  • Mikrofüllerkomposite: enthalten splitter- oder kugelförmige Vorpolymerisate der organischen Matrix oder Siliciumdioxidteilchen. Einer ihrer Nachteile ist die fehlende Sichtbarkeit auf dem Röntgenbild.
  • Hybridkomposite: enthalten 0,5 bis 10 µm große Glaspartikel und Zusätze, die das Material röntgensichtbar machen. Die Füllpartikel nehmen ca. 85 % des Volumens ein.
  • Nano-Hybridkomposite: mit Füllpartikeln im Nanobereich, teils mit konventionellen Füllern, teils mit Präpolymerisaten

3. Verbundphase: sie ermöglicht die chemische Verbindung der organischen Matrix mit den anorganischen Füllkörpern und entsteht durch Silanisierung (Reaktion mit einem Silan). Dadurch werden in erster Linie das Abrasionseigenschaften (Abriebeigenschaften) der Kunststoffe wesentlich verbessert.

II. Konsistenz

Kunststoffe werden je nach Indikation in folgenden Viskositäten verarbeitet:

  • fließfähige Komposite (flowable) enthalten weniger Füllkörper und haben somit eine höhere Polymerisationsschrumpfung von ca. 3 %. Ihre Anwendung ist dadurch auf Zahnhalsfüllungen und sehr kleine okklusale und approximale Defekte beschränkt.
  • universelle Komposite: müssen dem Kaudruck standhalten und haben deshalb eine hohe Biegefestigkeit, Oberflächenhärte und einen großen Volumenanteil an Füllkörpern
  • stopfbare Komposite (packable) sind hochviskös und enthalten mehr hochdisperses Siliciumdioxid, teilweise in Kombination mit gröberen Füllkörpern. Sie sind nicht abrasionsbeständiger als universelle Hybridkomposite.

III. Farbspektrum

Um dem natürlichen Vorbild möglichst nahezukommen, werden die Komposite in einem großen Spektrum verarbeitet. Dabei wird nuanciert hinsichtlich:

  • der Helligkeit
  • des Farbtons
  • der Transluzenz (partiellen Lichtdurchlässigkeit): die Schmelzmasse ist durchlässiger als die Dentinmasse, außerdem werden opake Farben (lichtundurchlässige Farben) zum Abdecken dunkler Zahnsubstanz angeboten.

IV. Chemische Abbindereaktion

Kunststofffüllungen erhärten dadurch, dass die Acrylatmonomere (Acrylatgrundbausteine) durch eine von freien Radikalen ausgelöste Kettenreaktion zu einem Polymer vernetzt werden. Die Radikale wiederum werden durch eine chemische Startreaktion oder über einen Photoinitiator freigesetzt, der auf ein Lichtspektrum von 350 bis 550 nm reagiert, auf das die Polymerisationslampen ausgerichtet sind.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Kunststofffüllungen finden sowohl in der ersten als auch der zweiten Dentition (in Milchzähnen und bleibende Zähnen) sowie an sämtlichen Zahnflächen Verwendung:

  • Traditionelles Einsatzgebiet der Komposite ist die Versorgung von Kavitäten der Klassen I bis V
  • Frontzahnfüllungen einschließlich Eckaufbauten
  • Zahnhalsfüllungen z. B. zur Versorgung keilförmiger Putzdefekte
  • Okklusalfüllungen zur Restauration der Kauflächen bei einer Füllungsbreite von max. 50 % des Höckerabstands
  • Approximalfüllungen zur Restauration von Zahnzwischenraumdefekten, bei okklusalem Anteil entsprechende maximale Breite von 50 % des Höckerabstands
  • Ästhetische Zahnumformungen z. B. zur Zahnsubstanz schonenden Korrektur von Formanomalien (Zapfenzahn)
  • Füllungen in der 1. Dentition (Milchzahnfüllungen)
  • Aufbaufüllungen vor Kronenversorgung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe, v. a. Methacrylat
  • Zu großer Zahndefekt; hier ist das Ausweichen auf eine Inlay-Onlay-Teilkronen- oder Kronenversorgung sinnvoll

Vor der Füllung

Vor der Kompositfüllung ist der Patient über alternative Füllungsmethoden, mögliche Kontraindikationen und den durch die Zeitaufwändigkeit bedingten Kostenfaktor aufzuklären.

Das Verfahren

Die Applikation von Kunststofffüllungen ist unabdingbar mit der sorgfältigen Anwendung der Dentinadhäsivtechnik verbunden. Nur so ist eine bakteriendichte und für die Pulpa (das Zahnmark) reizlose Füllungshaftung am Zahn möglich. Das Verfahren ist gekennzeichnet durch viele Teilschritte.

  • Exkavation (Kariesentfernung)
  • Farbauswahl: sinnvollerweise vor der Präparation, wenn noch möglichst viel Zahnsubstanz zur Verfügung steht. Zudem trocknet die Zahnsubstanz während der Behandlung etwas aus und wird dadurch heller. Der Zahn muss nicht nur von Karies befreit, sondern auch gründlich gereinigt sein (z. B. von Nikotin- oder Kaffeeverfärbungen)
  • Minimalinvasive Präparation (unter Schonung von Zahnsubstanz), da keine mechanisch gegen Abzugskräfte wirkenden Unterschnitte gelegt werden müssen. Bei Frontzähnen erfolgt eine Schmelzanschrägung von 0,5 bis 1 mm zur Vergrößerung der Adhäsionsfläche und aus ästhetischen Gründen, da der Präparationsrand durch die Anschrägung optisch unauffälliger wird.
  • Idealerweise absolute Trockenlegung mit Kofferdam (Spanngummi, der Zutritt von Flüssigkeiten verhindert)
  • Ggf. indirekte oder direkte Überkappung: in extremer Pulpanähe oder bei Pulpaeröffnung Applikation einer calciumhydroxidhaltigen Unterfüllung, die den weiteren Verfahrensschritten standhält
  • Füllungshaftung am Zahn: wird durch das Verfahren der Dentinadhäsivtechnik erreicht, das sich aus zusammensetzt aus:
  • Konditionierung von Schmelz und Dentin mit Phosphorsäure (H3PO4): im dadurch entstehenden Schmelzätzmuster verankern sich im Folgenden die Monomere des Kunststoff mikromechanisch. Im Dentin wird das Kollagengerüst von der Hartsubstanz befreit und durch die folgenden Schritte auf die Aufnahme von Monomer vorbereitet.
  • Priming der konditionierten Dentinoberfläche
  • Applikation des Dentinadhäsivs auf das vorbereitete Dentin und den Schmelz (Bonding): Das Dentin wird mit Monomeren imprägniert, das Schmelzätzmuster ebenfalls durchdrungen. Es entsteht die sogenannte Hybridschicht als Verbindungselement zwischen Zahn und Kunststoffmaterial.
  • Applikation eines fließfähigen Komposits in der gesamten Kavität mit einer Stärke von max.1 mm zur Verstärkung der Hybridschicht und zur Vermeidung von Porositäten im Randbereich
  • Schichttechnik: Einbringen des universellen oder stopfbaren Komposits in mehreren Teilschichten, die einzeln und ausreichend lange (in der Regel je 20 Sek) lichtpoymerisiert werden müssen, um den Schrumpfungsstress des Materials und die daraus entstehenden Spannungen im Zahn so gering wie möglich zu halten und durch einen hohen Polymerisationsgrad eine Pulpareizung u. a. zu vermeiden. Dabei dürfen die Schichten nicht horizontal von einer Seite der Kavität zur anderen gelegt werden, sondern müssen schräg verlaufen, um während der Polymerisation jeweils nur mit einer Kavitätenwand verbunden zu sein.
  • Entfernung der aufgrund des Sauerstoffkontakts nicht polymerisierten Sauerstoffinhibitionsschicht auf der Füllungsoberfläche z. B. mit einer Occlubrush
  • Entfernung des Kofferdams
  • Konturieren (Ausarbeiten) der Füllung, z. B. mit feinkörnigen Diamantschleifern
  • Okklusionskontrolle (Kontrolle und Einschleifen der Schlussbisskontakte)
  • Artikulationskontrolle (Korrektur der Füllungsoberfläche in Anpassung an die Kaubewegungen)
  • Politur z. B. mit Politurpasten

Nach der Füllung

Die Füllung ist sofort durch Kaudruck belastbar. Sie erreicht ihre Endhärte allerdings erst im Verlauf der nächsten 24 Stunden. Da eine, wenn auch geringe Wasseraufnahme des Kunststoffmaterials anzunehmen ist, ist eine Kontrolle der Füllungsränder auf etwaige Überstände bei einem späteren Kontrolltermin sinnvoll.

Mögliche Komplikationen

liegen vor allem in der Komplexität des sehr techniksensitiven Verfahrens begründet. Fehler in der Materialauswahl, vor allem aber im Ablauf (Überätzung des Dentins, Austrocknung des Dentins, Fehler beim Auftragen von Primer und/ oder Bond, nicht ausreichend lange Polymerisation, falsche Schichtung, Speichelzutritt u. a.) werden sich fast zwangsläufig äußern in:

  • postoperativen Sensibilitäten (Pulpareizung über die Dentinkanälchen)
  • Aufbissempfindlichkeit
  • Füllungsverlust
  • Füllungsfraktur bei zu großer Füllung
  • Randabbrüchen oder Randspaltbildung, in der Folge Sekundärkaries (Randkaries)
  • zu starker Abrasion (Abrieb).

Literatur

  1. Heidemann et al. (2001). Amalgamfreie Füllungstherapie: Alternative Wege (1. Aufl.). Urban & Fischer.
  2. Gängler P, Hoffmann T, Willershausen B, Schwenzer N, Ehrenfeld M: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005
  3. Frankenberger R: Adhäsiv-Fibel. Spitta Verlag 2010
  4. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.

     
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