Wurzelspitzenresektion

Eine Wurzelspitzenresektion (WSR) (Synonyme: amputatio radicis dentis; Apektomie; apikale Osteotomie; chirurgische Wurzelfüllung; Radikaloperation der apikalen Parodontitis (Entzündung des Parodonts (Zahnhalteapparat) genau unterhalb der Zahnwurzel; apikal = "zahnwurzelwärts“); Wurzelspitzenamputation) ist ein operativer Eingriff, bei dem die Wurzelspitze eines im Vorfeld wurzelbehandelten Zahnes sowie die entzündete Umgebung der Wurzelspitze entfernt werden. Sie dient dem Erhalt des betroffenen Zahnes durch die Beseitigung der Entzündung.

Hierzu wird in Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) durch eine Osteotomie (operative Durchtrennung von Knochen oder die Ausschneidung eines Knochenstücks) der Zugang durch den Knochen zur Wurzelspitze geschaffen. Die endgültige Wurzelfüllung des bereits wurzelbehandelten Zahnes kann dabei auch intraoperativ (während der Operation) gelegt werden. Während eine Wurzelfüllung für den Erfolg unabdingbar ist, wird ein zusätzlicher retrograder Verschluss des Wurzelkanals (von der neu geschaffenen Wurzelspitze aus) nicht zwingend vorgeschrieben.

Die Operation ist ein Routineeingriff in der zahnärztlichen Praxis. Sie ist bei einer Parodontitis apicalis (Erkrankung des den Wurzelspitzenbereich betreffenden Zahnhalteapparates) notwendig, wenn eine im Vorfeld ausgeführte Wurzelbehandlung nicht zur Entzündungsfreiheit führt. Hierbei tritt eine chronische apikale Entzündung unter Bildung von Granulationsgewebe als Abwehrreaktion auf, die mit konventionellen Methoden nicht mehr zur Ausheilung gebracht werden kann.

Symptome – Beschwerden 

Typische Symptome bzw. Beschwerden, die zur Planung einer Wurzelspitzenresektion führen, sind:

  • Schmerzen, örtlich oder ausstrahlend
  • Druckgefühl
  • akutes Aufflammen einer chronischen Entzündung des Periapikalraums (Raum, der die Wurzelspitze umgibt), ggf. mit Abszessbildung (Bildung einer umkapselten Eiteransammlung)
  • Fistelbildung
  • Aufbiss- bzw. Klopfempfindlichkeit (Perkussionsdolenz)
  • röntgenologisch: verbreiterter, die Wurzelspitze umgebender (periapikaler) Parodontalspalt

Diagnostik

Folgende diagnostische Maßnahmen sind vor der Therapieentscheidung notwendig:

  • Klinische Untersuchung auf die Erhaltungswürdigkeit des Zahnes hin
  • Perkussionstest (Überprüfen der Aufbissempfindlichkeit)
  • Sensibilitätstest, thermisch oder elektrophysiologisch
  • Röntgen des Zahnes und seiner umgebenden Strukturen
  • Abwägen von Begleiterkrankungen (Blutgerinnung; Abwehrschwäche; Diabetes mellitus u. v. m.), in der Folge z. B. Einleitung von Laboruntersuchungen oder begleitende antibiotische Therapie

Therapie

Ziel der Wurzelspitzenresektion ist es, pathologische (krankhafte) Veränderungen wie apikale Granulome, Zysten (krankhafter flüssigkeitsgefüllter Hohlraum mit eigenständiger Wand) und Parodontitiden (Entzündungen des Zahnhalteapparates) im periapikalen (die Wurzelspitze umgebenden) Bereich zum Ausheilen zu bringen und dadurch den Zahn zu erhalten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Fortbestehende apikale Parodontitis (Entzündung des Parodonts (Zahnhalteapparat) genau unterhalb der Zahnwurzel; apikal = "zahnwurzelwärts") mit klinischen Symptomen an einem wurzelgefüllten Zahn
  • Fortbestehende apikale Parodontitis mit in der röntgenologischen Verlaufskontrolle zunehmender Osteolyse (Knochenauflösung) an einem wurzelgefüllten Zahn
  • Zystenbildung am Apex (Wurzelspitze)
  • Klinische Symptome, deren Ursache in die Nachbarstrukturen des Apex (Wurzelspitze) überstopftes Wurzelfüllmaterial ist
  • An Zähnen, die aufgrund ihrer Anatomie – z. B. durch starke Abbiegung – nicht regelrecht mit einer Wurzelbehandlung zu versorgen sind, die klinische Symptome aufweisen oder einen auffälligen Röntgenbefund haben
  • Bei einer apikalen Osteolyse (Knochenauflösung) ab ca. 5 mm Durchmesser auch ohne klinische Symptomatik
  • Beim Bruch eines Instruments, das der Aufbereitung des Wurzelkanals vor der Wurzelfüllung dient, sofern es über den Wurzelkanal nicht entfernt werden kann
  • Bei einer Via falsa (falscher Weg; hier: Perforation der Wurzelkanalwand) in Nähe des Apex
  • Bei Fraktur (Bruch) des apikalen Wurzeldrittels
  • Bei apikaler Parodontitis eines wurzelgefüllten und mit Stift versorgten Zahnes, wobei der Stift nicht entfernt werden kann, um die Wurzelfüllung zu revidieren (erneuern)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Allgemeinerkrankungen, die auch eine Extraktion (Zahnentfernung) verbieten würden
  • Operation während einer akuten putriden Exazerbation (mit Eiterbildung verbundene aufflammende Entzündung)
  • Operation an Zähnen mit starker parodontitis marginalis (vom Zahnfleischrand ausgehende Zahnbettentzündung mit Knochenverlust)

Vor der Operation

  • Diagnostik: Eine gründliche klinische und radiologische Untersuchung ist erforderlich, um die Indikation für die WSR zu bestätigen. Dies schließt Perkussionstests, Sensibilitätstests und Röntgenaufnahmen ein.
  • Überprüfung der Erhaltungswürdigkeit des Zahnes: Bewertung des Zustandes des Zahnes, um sicherzustellen, dass der Eingriff gerechtfertigt ist.
  • Abwägen von Begleiterkrankungen: Überprüfung auf Erkrankungen wie Diabetes oder Blutgerinnungsstörungen, die den Eingriff beeinflussen könnten.
  • Risikoaufklärung und Aufklärung über alternative Behandlungen: Besprechung der Risiken, möglichen Komplikationen und alternativen Behandlungsoptionen mit dem Patienten.
  • Antibiotische Prophylaxe: In bestimmten Fällen kann eine antibiotische Vorbehandlung indiziert sein.

Das Operationsverfahren

  1. Lokalanästhesie (örtliche Betäubung)
  2. Schnittführung zur Bildung eines Mukoperiost-Lappens (Schleimhaut-Knochenhaut-Lappen), z. B. Bogenschnitt nach Partsch; z. B. Zahnfleischrandschnitt, wenn gleichzeitig das marginale Parodont (Zahnhalteapparat) parodontalchirurgisch mitversorgt werden soll
  3. Freilegung des Apex (Wurzelspitze) durch Entfernung des darüber liegenden Knochens
  4. Darstellung der gesamten Wurzelspitze und Schaffen eines Knochenfensters, das ausreichend groß ist, um den Ramifikationsbereich (Bereich der Wurzelspitze, in dem sich der Nerv seitlich verästelt) abzutrennen und die Entzündung des umgebenden Gewebes auszuräumen
  5. Abtrennung des Apex und Entfernung des entzündeten Gewebes
  6. Sofern bisher nicht im Vorfeld erfolgt, nun konventionelle Wurzelfüllung
  7. Retrograde Füllung (Füllung von der Wurzelspitze aus) der ehemaligen Nerveneintrittsstelle am neu geschaffenen Apex
  8. Abschließende Spülung der Resektionshöhle
  9. Reposition (Zurückverlagerung) des Wundlappens und Nahtversorgung

Routinemäßig wird die Wurzelspitzenresektion ohne Operationsmikroskop durchgeführt. In schwierigen Fällen erleichtert sein Einsatz jedoch das genaue Erkennen der Wurzelspitze, die Betrachtung von deren Oberflächenbeschaffenheit und das Erkennen von Ramifikationen (Verästelungen der Nervenaustrittsstelle). In Kombination mit speziellem mikrochirurgischem Instrumentarium kann zudem die Knochenwunde kleiner gehalten werden, sofern die Ausdehnung der Entzündung dies zulässt, und die Ausführung der retrograden Füllung erfolgt in schwierigeren Fällen genauer.

Anästhesieverfahren: Lokalanästhesie (örtliche Betäubung)
Operationsdauer: 30-60 Minuten

Nach der Operation

  • Ruhe und Schonung: Einschränkung der Bewegung im Operationsgebiet zur Förderung der Heilung.
  • Kühlen: Anwendung von Cold Packs (nicht zu kalt) intermittierend für zwei Tage, um Schwellungen zu reduzieren.
  • Schmerzmanagement: Einnahme von Schmerzmitteln nach ärztlicher Anweisung.
  • Nahtentfernung: Entfernung der Nähte nach etwa einer Woche.
  • Nachsorge und Hygiene: Anweisungen zur oralen Hygiene und zu erforderlichen Nachsorgeterminen.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Blutungen: Sowohl intraoperative als auch postoperative Blutungen können auftreten.
  • Schwellungen und Schmerzen: Häufig in den ersten Tagen nach dem Eingriff.
  • Nervenverletzung: Risiko bei Nähe zu Nervenbahnen, insbesondere im Unterkiefer 
  • Kieferhöhleneröffnung: Risiko bei oberen Backenzähnen.
  • Infektion: Trotz steriler Bedingungen ein mögliches Risiko.

Spätkomplikationen

  • Chronische Schmerzen: Selten, aber in einigen Fällen möglich.
  • Rezidivierende Infektionen: Bei nicht vollständiger Entfernung des Entzündungsgewebes.
  • Nervenschäden: Langfristige Sensibilitätsstörungen, besonders im Bereich des Nervus mentalis (Ast des Nervus alveolaris inferior aus dem Nervus mandibularis, der die Haut im Bereich des Kinns und die Unterlippe versorgt) bei Resektion (operative Entfernung) unterer Prämolaren (vordere Backenzähne)
  • Resorption des umliegenden Knochens: Langzeitfolge in einigen Fällen.
  • Zahnverlust: Wenn der Zahn trotz der Wurzelspitzenresektion nicht erhalten werden kann.

 

Die Wurzelspitzenresektion ist eine effektive Methode zur Erhaltung eines Zahnes, der sonst extrahiert werden müsste. Jedoch ist eine sorgfältige Planung und Durchführung des Eingriffs sowie eine gründliche Nachsorge entscheidend für den Erfolg der Behandlung.

Literatur

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  2. Horch HH. (2005). Zahnärztliche Chirurgie (4. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  3. Hülsmann M. (2008). Endodontie (Checklisten Zahnmedizin) (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  4. Schwenzer N & Ehrenfeld M. (2011). Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (4. Aufl.). Thieme Verlag.
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  6. Hülsmann M & Schäfer E. (2019). Probleme in der Endodontie: Prävention, Identifikation und Management (2., vollständig neu bearbeitete Auflage). Quintessence Publishing. 
  7. Schwenzer N & Ehrenfeld M. (2019). Zahnärztliche Chirurgie (5. Aufl.). Thieme Verlag.
  8. Eufinger H, Kübler A & Schliephake H. (2021). Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (5. Aufl.). Springer Berlin.
  9. Filippi A, Saccardin F & Kühl S. (2022). Das große 1 x 1 der Oralchirurgie (1. Aufl.). Quintessenz Verlag.
  10. Horch HH, Neff A. (2022). Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (5. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.

Leitlinien

  1. Zentrum Zahnärztliche Qualität: Wurzelspitzenresektion. ZZQ Berlin Kurzfassung Februar 2009 Langfassung November 2006

     
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