Knochenaufbau mittels Knochenchips (Bone Chips)

Die Knochenaugmentation mittels Bone Chips ist eine Methode, bei der biotechnologisch hergestellte körpereigene Knochenstrukturen zur Kieferknochenaugmentation verwendet werden. Diese Technik ist eine Alternative zur herkömmlichen Knochentransplantation und bietet den Vorteil, dass keine umfangreichen Knochenentnahmen erforderlich sind.

Zahnlücken, die durch vorzeitigen Zahnverlust entstehen, können heute in vielen Fällen durch Implantatinsertion (Setzen künstlicher Zahnwurzeln) geschlossen werden. Liefert der Kieferknochen nicht genügend Volumen für die Aufnahme eines Implantats, so bieten sich verschiedene operative Vorgehensweisen zur Gewinnung von Knochensubstanz an. Dabei ist der Goldstandard, an dem andere Verfahren sich messen lassen müssen, die Entnahme und Aufbereitung autogenen (körpereigenen) Knochens. Da intraoral (im Mund) in der Regel die notwendige Menge von 1 bis 2 cm³ nicht verfügbar ist, muss die Entnahme aus dem Beckenkamm erfolgen. Ein Verfahren, das diese aufwendige Operation der Eigenknochenentnahme umgehen möchte, ist die Knochenaugmentation (Knochenaufbau) mittels Bone Chips. Die biotechnologische Verfahrensweise zu deren Herstellung wird als Tissue Engineering (Zellkultur-Technik) bezeichnet.

Durch Tissue Engineering hergestellte Transplantate müssen die Anforderung erfüllen, ein dreidimensionales Trägergerüst für autologe, osseoinduktive (körpereigene, die Knochenbildung auslösende) Zellen zur Verfügung zu stellen, das in der Phase des Tissue Engineering gut durchlässig für das Nährmedium ist und nach Einbringen in den Knochendefekt eine schnelle Vaskularisierung (Einsprossung neuer Blutgefäße) zulässt.

Vorteile des Verfahrens

  • Anders als bei der Transplantation (Übertragung) von autologer (körpereigenem) Knochenspongiosa (schwammartig aufgebaute feine Knochenbälkchen im Inneren der Knochen), die beispielsweise dem Beckenkamm entnommen wird, werden durch das Tissue Engineering derart aufwendige operative Eingriffe vermieden, folglich auch damit einhergehende Defekte, Schmerzen und Schwellungen in der Entnahmeregion.
  • Da sich die vergleichsweise kleine Entnahmestelle für das Periost intraoral (im Mund) befindet, bleiben keine äußeren Narben zurück.
  • Da das biotechnologisch hergestellte Gewebe aus körpereigenen Zellen gezüchtet wird, die vom Körper als solche erkannt werden, finden keinerlei Abstoßungsreaktionen statt.

Nachteile des Verfahrens

Den Vorteilen gegenübersteht vor allem der höhere Zeitaufwand, der für das Tissue Engineering angesetzt werden muss.

Beachte: Das Verfahren wird in Deutschland nicht mehr angeboten.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Kieferknochenaugmentation vor Implantatinsertion bei unzureichendem Knochenvolumen
  • Wiederherstellung der Knochenstruktur nach Zahnverlust oder anderen Defekten

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Allgemeinmedizinische Zustände, die eine Operation verbieten
  • Reduzierter Allgemeinzustand oder Wundheilungsstörungen, z. B. bei Diabetes mellitus
  • Schwäche des Immunsystems
  • Akute Infektionen im Operationsgebiet

Vor der Operation

  • Entnahme eines kleinen Stücks Periost (Knochenhaut) und etwa 150 ml Blut für das Tissue Engineering (Gewebezüchtung)
  • Vorbereitung des Operationsbereichs
  • Aufklärung des Patienten über das Verfahren und mögliche Risiken

Das Verfahren

I. Entnahme

Zur Herstellung von Bone Chips muss dem Patienten zunächst in einem kleinen operativen Eingriff unter Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) ein etwa 1 cm² großes Stück Periost (Knochenhaut) entnommen werden. Als Entnahmestelle bietet sich die Molarenregion (der Bereich der großen hinteren Backenzähne) des Unterkiefers an. Für den Wundverschluss werden Nähte gelegt, die nach 8 bis 10 Tagen wieder entfernt werden.

Zeitgleich zur Periostgewinnung erfolgt die Entnahme von etwa 150 ml Blut, dessen Serum im Labor durch Zentrifugieren gewonnen wird. Das Serum wird als Nährmedium für die Züchtung der Knochenzellen benötigt. Die Ausgangssubstanzen für die Bone Chips entstammen also beide dem Patienten selbst: sie sind autolog (Synonym: autogen).

II. Herstellung der Bone Chips

Aus dem Periost werden im Reinstraumlabor Osteoblasten (Knochen bildende Zellen) isoliert. In einer ersten Phase der Zellvermehrung, in welcher die Zellen Blutserum als Nährmedium benötigen, entstehen innerhalb von etwa 7 Wochen genügend Osteoblasten. Diese werden auf eine Trägersubstanz, das sogenannte Scaffold, aufgebracht. Das Scaffold liefert ein stabiles dreidimensionales Gerüst für das weitere dreidimensionale Wachstum des Zellgewebes und wird später vom Knochen wieder resorbiert (abgebaut). Auf die biologisch abbaubare Trägermatrix wird ein ebenfalls resorbierbares Fibrin-Gel aufgetragen, dessen Aufgabe die homogene Verteilung der Osteoblasten in der Trägermatrix ist.


Die Knochenchips haben eine Fläche von etwa 1 cm² und sind  2 mm dick. Jeder Chip enthält ca. 1,5 Millionen vitale, osteogene Zellen (lebendige, die Knochenneubildung anregende Zellen).

III. Einbringen der Bone Chips

Die Knochenchips werden in einem zweiten operativen Eingriff in den Bereich des aufzubauenden Knochendefekts eingebracht. Die für den Wundverschluss gelegten Nähte werden nach 8 bis 10 Tagen entfernt.

Anästhesieverfahren: Lokalanästhesie (örtliche Betäubung)
Operationsdauer: 1-2 Stunden

Nach der Operation

  • Überwachung der Wundheilung und Kontrolle der Knochenbildung
  • Implantatinsertion nach ausreichender Knochenbildung, in der Regel nach etwa drei Monaten
  • Verwendung eines provisorischen Zahnersatzes zur Überbrückung der Einheilphase

Mögliche Komplikationen

  • Frühkomplikationen: Schmerzen, Schwellungen, Wundinfektionen
  • Spätkomplikationen: Verzögerte oder unzureichende Knochenbildung, Komplikationen bei der Implantatinsertion (Implantateinbringung), allergische Reaktionen auf Materialien

Literatur

  1. Lauer G, Pradel W, Blank H, Schneider M: Die Regeneration von Alveolarfortsatzknochen mittels im Tissue Engineering hergestellten Knochenkonstrukten. 53. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie, Bad Homburg 2002, 9.-11. Mai
  2. Ewers R, Turhani D, Item CB, Kapral D, Thurnher D, Cvikl B, Weissenböck M, Erovic BM, Lauer G: Bioengineered Knochen-Produktion – Aktuelle Anwendungen das Tissue engineering in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Deutscher Ärzte Verlag Köln zzi Z Zahnärzt Impl 2003: 19 (4)
  3. Koeck B. (2005). Praxis der Zahnheilkunde – Implantologie (2. Edition). Elsevier, München / Urban & Fischer.
  4. Cacaci C, Neugebauer J, Schlegel KA & Seidel F. (2006). Orale Implantologie (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  5. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.

     
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