Kieferknochenaufbau über die Kieferhöhle (Sinuslift)

Als Sinuslift (Synonym: Sinusbodenelevation) werden kieferchirurgische Operationsverfahren bezeichnet, welche den knöchernen Boden der Kieferhöhle (lat.: sinus maxillaris) aufbauen, mit dem Ziel im Oberkieferseitenzahnbereich ein tragfähiges Lager für eine Implantatinsertion (Setzen künstlicher Zahnwurzeln) zu schaffen.

Die Kieferhöhlen sind mit Mukosa (Schleimhaut) ausgekleidete, belüftete Hohlräume, die nach unten durch eine knöcherne Trennschicht, den sogenannten Sinusboden, zur Mundhöhle hin begrenzt werden.

Zahnextraktionen (Zahnentfernungen) haben die mehr oder weniger stark ausgeprägte Atrophie (Abbau) des Alveolarkamms (Synonym: Kieferkamm; Zahn tragender Anteil des Kiefers) zur Folge. Nach jahrelanger Zahnlosigkeit und durch das Tragen von herausnehmbaren Prothesen können der Alveolarkamm und der Sinusboden so stark atrophiert sein, dass die Knochenschicht, die Mund- und Kieferhöhle voneinander trennt, nur noch wenige, im Extremfall nur noch einen Millimeter beträgt.

Wird für den Seitenzahnbereich des Oberkiefers Zahnersatz geplant, der von Implantaten getragen werden soll, so muss in derart stark atrophierten Oberkieferabschnitten zunächst ein Kieferknochenaufbau mittels Sinuslift (engl.: lift) erfolgen, um implantieren zu können. Eine Vielzahl von Implantaten ließe sich ohne die vorangehende Elevation (lat.: elevare = emporheben) des Sinusbodens nicht erfolgreich und stabil inserieren (setzen).

Angehoben wird hierfür nicht die knöcherne Trennschicht selbst, sondern die sogenannte Schneider-Membran (Synonym: Schneidersche Membran; Schleimhaut-Knochenhaut-Schicht, welche die Kieferhöhlen auskleidet). In den operativ geschaffenen Hohlraum werden autogener (körpereigener) Knochen und/oder Knochenersatzmaterialien (KEM) eingebracht (Einlagerungsosteoplastik). Autogener Knochen stellt hierbei nach wie vor den Goldstandard dar. Postoperativ (nach der Operation) wird das Augmentationsmaterial (lat.: augmentatio = Vermehrung; Material zur Anhebung des Sinusbodens) allmählich abgebaut und – je nach Material – teilweise oder ganz durch neu gebildeten Knochen ersetzt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Atrophie (Abbau) des knöchernen Bodens des Sinus maxillaris (der Kieferhöhle)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Akute oder chronische Sinusitis (Entzündung der Kieferhöhle)
  • Schlechte allgemeine Gesundheit oder unkontrollierte systemische Erkrankungen
  • Unzureichende Knochenqualität, die keinen sicheren Halt für das Implantat bietet
  • Schwere allergische Reaktionen auf die verwendeten Materialien
  • Rauchen oder andere Faktoren, die die Heilung negativ beeinflussen

Vor der Operation

  • Dentale Volumentomographie (DVT) oder Computertomographie (CT) zum Ausschluss pathologischer (krankhafter) Befunde und Beurteilung (Einschätzung) der knöchernen Strukturen
  • Risikoaufklärung
  • Aufklärung über
    • alternative Therapiemaßnahmen
    • den Verfahrensablauf
    • das postoperative Verhalten

Die Operationsverfahren

I. Externer Sinuslift (Äußerer Sinuslift) – einzeitiges Vorgehen

Die Indikation zum Sinuslift mit zeitgleicher Implantatinsertion ist gegeben bei einer Kammhöhe von mindestens 4 mm, wenn aufgrund der Knochenqualität eine Primärstabilität des Implantats zu erreichen ist. Nach sechs bis neun Monaten lässt die Belastbarkeit des Implantats die Versorgung mit einer prothetischen Suprakonstruktion zu. Das Vorgehen:

  • Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) des Operationsgebiets – In der Regel ist eine Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) nicht erforderlich, kann jedoch im Einzelfall, so beispielsweise bei Angstpatienten, durchgeführt werden.
  • Schnittführung zur Bildung eines Mukoperiostlappens (Schleimhaut-Knochenhaut-Lappens) nicht auf dem Alveolarkamm, sondern etwas nach palatinal (gaumenwärts) versetzt
  • Lösen des Mukoperiostlappens von der knöchernen Unterlage bis ins Vestibulum (Mundvorhof)
  • Laterale Osteotomie (operative Durchtrennung von Knochen oder die Ausschneidung eines Knochenstücks) des Oberkiefers – Präparieren eines etwa 1 cm² großen vestibulären Knochenfensters in die Kieferhöhlenwand mit mindestens 1 mm Abstand zum Alveolarkamm – Die Schneidermembran wird hierbei geschont, der Knochen vorsichtig mit speziellen Sinuslift-Instrumenten (Raspatorium) abpräpariert.
  • Bohrung für das Implantat
  • Implantatinsertion
  • Auffüllen des Hohlraums mit Knochen und/oder Knochenersatzmaterial unter Anhebung der Schneider-Membran
  • Eine resorbierbare Membran dient der Stabilisierung und vollständigen Abdeckung des Augmentationsmaterials und unterstützt darüber hinaus die Knochenregeneration (GBR – Guided Bone Regeneration)
  • Reponieren (Zurückbringen in eine (annähernde) Normallage) des Mukoperiostlappens über Membran und Implantat
  • Speicheldichter Wundverschluss mit Einzelknopfnähten

II. Externer Sinuslift – zweizeitiges Vorgehen

Abgesehen von der Implantatinsertion, auf die verzichtet werden muss und die frühestens ein halbes Jahr nach dem Sinuslift erfolgen darf, entspricht das Verfahren dem einzeitigen Vorgehen. Die Indikation stellt sich bei Kammhöhen unter 4 mm, da bei derart geringem Knochenangebot keine Primärstabilität des Implantats erreicht werden kann.

III. Interner Sinuslift (Innerer Sinuslift, "Transalveolärer" Sinuslift)

Anders als beim externen Sinuslift muss bei diesem Verfahren keine Osteotomie (Durchtrennung) der Kieferhöhlenwand vorgenommen werden. Die Indikation ist gegeben, wenn eine Verbesserung der Knochendichte sinnvoll ist, um die Primärstabilität des Implantats zu erhöhen und nur ein geringer zusätzlicher vertikaler Knochenbedarf besteht. Das Vorgehen:

  • Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) des Operationsgebiets – In der Regel ist eine Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) nicht erforderlich, kann jedoch im Einzelfall, so beispielsweise bei Angstpatienten, durchgeführt werden.
  • Schnittführung zur Bildung eines Mukoperiostlappens (Schleimhaut-Knochenhaut-Lappens) nicht auf dem Alveolarkamm (Zahn tragender Anteil des Kiefers), sondern etwas nach palatinal (gaumenwärts) versetzt
  • Lösen des Mukoperiostlappens von der knöchernen Unterlage bis ins Vestibulum (Mundvorhof)
  • Präparieren des Implantatlagers zunächst mit dünneren Pilotbohrern bis 2 mm vor dem Sinusboden
  • Schrittweise Aufbereitung mit Bone Condensern ansteigenden Durchmessers (Instrumente zur Knochenverdichtung) unter Verdichtung der knöchernen Implantatumgebung und allmählichem, kuppelförmigen Anheben der Schneider-Membran
  • Einbringen von Knochenersatzmaterial (KEM), das nicht komprimierbar (zusammendrückbar) ist, unter weiterem "Lift" der Schneider-Membran
  • Implantatinsertion (Implantateinbringung)
  • Reponieren (Zurückbringen in eine (annähernde) Normallage) des Mukoperiostlappens über dem Implantat
  • Speicheldichter Wundverschluss

Anästhesieverfahren: Lokalanästhesie (örtliche Betäubung)
Operationsdauer: 1-2 Stunden

Nach der Operation

  • Postoperative Röntgenkontrolle (OPG: Orthopantomogramm)
  • Nochmals Aufklärung über das Verhalten in der Wundheilungsphase – Schnäuzverbot für zwei Wochen, um das Operationsgebiet nicht durch Überdruck in der Kieferhöhle zu belasten und Verwendung abschwellender Nasentropfen in diesem Zeitraum
  • Nahtentfernung 10 Tage postoperativ (nach der Operation)
  • Aus demselben Grund bis zu vier Wochen postoperativ weder Tauchen noch Transatlantikflüge

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Perforation der Schneider-Membran
  • Blutungen und Schwellungen im Operationsbereich
  • Postoperative Schmerzen
  • Wundinfektionen
  • Nachblutung und Einblutung in die Kieferhöhle

Spätkomplikationen

  • Verzögerte oder unzureichende Knochenbildung und Heilung
  • Implantatverlust durch mangelnde Integration in den Knochen
  • Chronische Sinusitis durch unzureichende Belüftung der Kieferhöhle
  • Schädigung benachbarter anatomischer Strukturen, wie Nerven oder Blutgefäße
  • Mögliche Reaktionen auf Knochenersatzmaterialien oder Implantate

Wichtig ist, dass der Eingriff von einem erfahrenen Chirurgen durchgeführt wird, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Eine sorgfältige präoperative Planung und Patientenaufklärung, sowie eine angemessene postoperative Nachsorge sind entscheidend für den Erfolg des Eingriffs.

Literatur

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  8. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  9. Schwenzer N & Ehrenfeld M. (2019). Zahnärztliche Chirurgie (5. Aufl.). Thieme Verlag.
  10. Filippi A, Saccardin F & Kühl S. (2022). Das große 1 x 1 der Oralchirurgie (1. Aufl.). Quintessenz Verlag.

     
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