Kariesinfiltration

Bei der Kariesinfiltration (Icon®-Therapie) handelt es sich um eine vergleichsweise neue Technik, mit deren Hilfe früh erkannte, bisher nicht weit fortgeschrittene, kariöse Läsionen zum Stillstand gebracht werden können. Hierbei muss keine Kavität präpariert (kein Loch gebohrt) werden, um die initiale (beginnende) Karies (Initialkaries) der Therapie zugänglich zu machen. Die Behandlung wird schmerzfrei in einer Behandlungssitzung beendet. 

Die Kariesinfiltration ist ein sogenanntes mikroinvasives Verfahren und beruht auf dem Prinzip, dass eine kariöse Initialläsion (beginnende Zahnfäule) in der Phase der Demineralisation (Entkalkung) vor der Entstehung einer Kavitation (eines "Lochs") mit niedrig viskösem (dünnflüssigem) Kunststoff infiltriert (durchdrungen) wird. Der ausgehärtete Kunststoff verhindert das weitere Vordringen von Karies verursachenden Keimen, den für ihre Vermehrung notwendigen Kohlenhydraten und ihrem Stoffwechselprodukt Säure, die die Zahnhartsubstanz demineralisiert.

Langzeituntersuchungen liegen bisher nicht vor, dennoch ist abzusehen, dass die Methode neben der Optimierung der Mundhygienetechnik, Ernährungslenkung und regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolle eine sinnvolle Ergänzung ist, um das Fortschreiten von Karies zu verhindern.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Um die Indikation richtigstellen zu können, ist ein Verständnis für die Kariesentstehung nötig: Zunächst löst die von den Kariesbakterien abgesonderte Säure die mineralischen Anteile aus der Schmelzstruktur. Dadurch entstehen Poren; die Schmelzstruktur bleibt jedoch noch vorübergehend erhalten, bis sie schließlich bei weiterer Säureeinwirkung und Demineralisation in sich zusammenbricht – der Defekt (das "Loch") entsteht. Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung der Kariesinfiltrationstechnik ist, dass der Zahnschmelz noch keinen Defekt aufweist. Für die Behandlung in Betracht kommen somit nur:

  • Approximale (Zahnzwischenraum-) Läsionen mit intakter Oberfläche, die
    • schmelzumgrenzt sind und
    • maximal in das erste Drittel des Dentins (Zahnbeins) vorgedrungen sind (D1-Läsionen).
  • Auch beginnende Glattflächenkaries, die die genannten Bedingungen erfüllt, kann therapiert werden.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • D2- und D3-Läsionen (in das zweite und dritte Drittel des Dentins reichende Karies) stellen eine absolute Kontraindikation dar.
  • Außerdem muss die zu behandelnde Läsion von Zahnschmelz umgrenzt sein, darf also im Oberflächenbereich nicht an das Dentin heranreichen, weil die Verfahrenstechnik auf das Infiltrieren der Schmelz- und nicht der Dentinstruktur abgestimmt ist. Für Zahnhalsläsionen ist das Verfahren also ungeeignet.

Vor der Behandlung

Für das Verfahren werden zur Diagnostik röntgenologische Bissflügelaufnahmen benötigt, anhand derer die Vordringtiefe der approximalen Karies (an den Zahnzwischenraumflächen) genau definiert werden muss, um die Entscheidung für eine Kariesinfiltration treffen zu können.

Das Verfahren

Ziel des Verfahrens ist es, die Porositäten im demineralisierten Schmelz durch dünn fließenden Kunststoff auszufüllen und damit weitere Demineralisationsvorgänge zu verhindern. Da die speichelnahe Oberfläche der kariösen Läsion durch Remineralisation klinisch intakt ist, müssen die oberflächlichen Mineralien zunächst durch Säure gelöst werden, um mit dem Kunststoff die darunter liegenden Poren erreichen zu können. Dementsprechend gliedert sich die Vorgehensweise in folgende Schritte:

  • Reinigung des Zahns mit Polierpaste und Zahnseide
  • Anlegen von Kofferdam (Spanngummi zur Abschirmung des zu behandelnden Zahns vom restlichen Mundraum), um Speichel abzuhalten und die Gingiva (das Zahnfleisch) vor der Säure zu schützen
  • Separieren (sanftes Auseinanderdrängen der Zähne im zu behandelnden Approximalraum mittels eines Keils)
  • Einbringen des Applikators (spezielle Folientasche für die Säure) und Anätzen der zu behandelnden Zahnfläche mit 15%igem Salzsäuregel (HCl-Gel) für zwei Minuten;
  • gründliches Abspülen und sehr gutes Trocknen mit Luft bzw. Alkohol über definierte Zeitintervalle
  • Einbringen des Applikators und Infiltration des Kunststoffs für 3 Minuten
  • Entfernen der Kunststoffüberschüsse
  • Lichtpolymerisation (Aushärtung des Kunststoffs, wobei die chemische Reaktion durch Licht ausgelöst wird)
  • Wiederholung der Infiltration, Überschussentfernung und Polymerisation
  • Endpolitur

Weitere Hinweise

  • Gemäß einer randomisierten klinischen Studie ist die Kariesinfiltration zur Arretierung von approximalen kariösen Läsionen (kariesbedingte Zahnzwischenraum-Läsionen), die sich röntgenologisch um die Schmelz-Dentin-Grenze herum erstrecken, nach einer mittleren Beobachtungszeit von sieben Jahren immer noch wirksam [11].

Nach der Behandlung

Nach der Kariesinfiltration sind einige Schritte zu beachten, um eine optimale Heilung und Effektivität der Behandlung sicherzustellen:

  • Schmerzmanagement: Obwohl die Behandlung in der Regel schmerzfrei ist, können bei manchen Patienten leichte Beschwerden auftreten. Hier kann die Einnahme von Schmerzmitteln oder anderen vom Zahnarzt empfohlenen Maßnahmen helfen.
  • Mundhygiene: Patienten sollten ihre reguläre Mundhygiene fortsetzen, aber möglicherweise wird geraten, für einen kurzen Zeitraum nach der Behandlung beim Zähneputzen besonders vorsichtig zu sein, um den behandelten Bereich nicht zu irritieren.
  • Ernährung: Unmittelbar nach der Behandlung kann empfohlen werden, bestimmte Nahrungsmittel oder Getränke zu vermeiden, die die behandelten Bereiche belasten oder verfärben könnten.
  • Kontrolluntersuchungen: Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind entscheidend, um den Erfolg der Behandlung zu überwachen und frühzeitig auf mögliche Probleme reagieren zu können.

Mögliche Komplikationen 

Die Kariesinfiltration gilt als eine sichere und effektive Methode, jedoch wie bei jedem medizinischen Eingriff können Komplikationen auftreten.

Frühkomplikationen

  • Schmerzempfindlichkeit: Unmittelbar nach der Behandlung können die Zähne gegenüber Temperaturschwankungen empfindlicher sein.
  • Gingivale Reizung: Das Zahnfleisch kann durch den Kontakt mit Säuren oder dem Kunststoff leicht gereizt werden.
  • Unzureichende Infiltration: In seltenen Fällen kann der Kunststoff möglicherweise nicht vollständig in die Läsion eindringen, was zu einer unvollständigen Behandlung führt.

Spätkomplikationen

  • Rezidiv der Karies: Trotz erfolgreicher Behandlung kann es in einigen Fällen zu einer erneuten Kariesentwicklung kommen, insbesondere wenn keine angemessene Mundhygiene praktiziert wird.
  • Verfärbungen: Mit der Zeit können sich die infiltrierten Bereiche verfärben, insbesondere bei Konsum von färbenden Lebensmitteln oder Getränken. Zu diesen färbenden Substanzen gehören:
    • Kaffee und Tee: Beide sind bekannt dafür, Zähne zu verfärben, besonders wenn sie regelmäßig konsumiert werden.
    • Rotwein: Dieses Getränk enthält starke Farbpigmente (Tannine), die an den Zähnen haften und zu Verfärbungen führen können.
    • Cola und dunkle Limonaden: Diese Getränke enthalten nicht nur dunkle Farbstoffe, sondern auch Säuren, die den Zahnschmelz angreifen und die Adhäsion von Farbpigmenten begünstigen können.
    • Beerenfrüchte: Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren und andere dunkle Beeren können Flecken auf den Zähnen hinterlassen.
    • Curry und Sojasoße: Diese stark pigmentierten Soßen können ebenfalls zu Zahnverfärbungen führen.
    • Balsamico-Essig: Seine dunkle Farbe kann sich auf den Zähnen ablagern und zu Verfärbungen führen.
    • Süßigkeiten und Lutscher: Viele Süßigkeiten enthalten künstliche Farbstoffe, die die Zähne verfärben können.
    • Tabakprodukte: Sowohl das Rauchen als auch das Kauen von Tabak können zu erheblichen Zahnverfärbungen führen.
  • Materialversagen: In seltenen Fällen kann das verwendete Material seine Wirksamkeit verlieren, was eine erneute Behandlung erforderlich machen kann.

Diese Komplikationen sind in der Regel selten und können durch sorgfältige Planung, korrekte Anwendung der Technik und regelmäßige Nachsorge minimiert werden. Es ist wichtig, dass Patienten eng mit ihrem Zahnarzt zusammenarbeiten, um den besten Behandlungserfolg zu erzielen.

Literatur

  1. Herstellerinformationen der DMG Chemisch-Pharmazeutische Fabrik GmbH
  2. Kariesinfiltration. Informationen der BKK (Betriebskrankenkasse) Mobil
  3. Heidemann et al. (2001). Amalgamfreie Füllungstherapie: Alternative Wege (1. Aufl.). Urban & Fischer.
  4. Ehrenfeld M, Gängler P, Hoffmann T, Schwenzer N & Willershausen B. (2010). Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie (3. Aufl.). Thieme Verlag.
  5. Interaktive Fortbildung: Kariesinfiltration. Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf 2011
  6. Meyer-Lückel H, Paris S: Kariesinfiltration. Zahnmedizin up 2 date 4. Georg Thieme Verlag 2011: 323-337
  7. Meyer-Lückel H, Paris S & Ekstrand KR. (2012). Karies: Wissenschaft und Klinische Praxis (ZMK Praxis) (1. Edition). Thieme Verlag.
  8. Roulet JF, Fath S & Zimmer S. (2017). Zahnmedizinische Prophylaxe (5. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
  9. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  10. Hellwege KD. (2018). Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe (7. aktualisierte und erweiterte Aufl.). Thieme Verlag.
  11. Paris S, Bitter K, Krois J, Meyer-Lueckel H: Seven-year-efficacy of proximal caries infiltration - randomized clinical trial. J Dent.

     
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