Modellgussprothese

Bei einer Modellgussprothese handelt es sich um herausnehmbaren partiellen Zahnersatz (Teilprothese, partielle Prothese), dessen stabilisierende Basis im Einstückgussverfahren aus einer Cobalt-Chrom-Molybdänlegierung hergestellt wird.

Im einfachen Fall erfolgt die Verankerung einer Modellgussprothese (Synonyme: Einstückgussprothese, Eingussprothese, Unitorprothese) am Restzahnbestand über gegossene Klammern, im aufwändigeren Fall über in Kronen eingearbeitete Geschiebe. Im Weiteren wird auf die rein klammerverankerte Modellgussprothese eingegangen.

Generell dient eine partielle Prothese (Teilprothese) der Versorgung einer Lückensituation. Für die Einteilung eines Lückengebisses stehen verschiedene Schemata zur Verfügung, so beispielsweise die Einteilung nach Wild in:

Klasse
Beschreibung
 I  Freiendlücke: distal (hinten) verkürzte Zahnreihe
 II  Schaltlücke: unterbrochene Zahnreihe
 III  Kombinationen aus verkürzten und unterbrochenen Zahnreihen


Eine einfache, nur mit Klammern verankerte Modellgussprothese bietet etliche Vorteile. Sie ist:

  • vergleichsweise kostengünstig
  • wenig aufwendig
  • Zahn schonend in der Herstellung, da die Ankerzähne für die Aufnahme von Klammern nur wenig im Bereich des Zahnschmelzes präpariert (beschliffen) werden müssen. So ist eine Schädigung der Pulpa (Zahnmark oder Zahnnerv), die eine seltene Komplikation bei der Präparation für Kronen darstellt, von vornherein ausgeschlossen.
  • herausnehmbar, wodurch sowohl die Zähne des Restgebisses als auch die Prothese selbst leicht zu reinigen sind
  • erweiterbar, wenn die Extraktion eines weiteren Zahnes erforderlich werden sollte

Diesen günstigen Eigenschaften steht jedoch eine Reihe von Nachteilen gegenüber:

  • erhöhte Kariesgefahr, sollte die Reinigung der verbliebenen Zähne nur unzureichend erfolgen und die Prothese nicht regelmäßig zum Reinigen herausgenommen werden
  • sichtbare Klammern beeinträchtigen die Ästhetik
  • im Vergleich zu Geschiebekonstruktionen oder Brücken geringere Schienung der Restzähne
  • Prothesenstatik bzw. -dynamik
  • weniger komfortabel als kostenintensive Versorgungen wie beispielsweise Brücken, Teleskopprothesen  oder Suprakonstruktionen auf Implantaten

Konstruktionsprinzipien

I. Gegossene Klammern

Klammern dienen nicht nur dem Halt der Prothese gegen Zugkräfte. Vielmehr verteilen sie die auftretenden Belastungen auf die Klammerzähne und sichern die Prothese gegen horizontal wirkende Schubkräfte:

  • Der Halt gegen Zugkräfte wird erzielt durch den sogenannten Klammerunterarm, der in retentive (unter sich gehende) Bereiche der Zahnkrone unterhalb ihres Äquators greift. Um in diese Position schnappen zu können, muss der Unterarm federnd konstruiert sein.
  • Klammerschulter und -oberarm wirken als starre Bestandteile gegen horizontale Kräfte.
  • Die Klammerauflage auf dem Randwulst der Kaufläche verteilt vertikale Kräfte weitgehend in Achsrichtung des Klammerzahnes auf dessen Parodontium (Zahnhalteapparat).

Je nach angestrebter Funktion und Position in der Gesamtkonstruktion sowie in Abhängigkeit von der Form des Klammerzahnes und dessen Sichtbarkeit kommen verschiedene Klammerformen zur Anwendung.

Die Klammern werden zusammen mit der Prothesenbasis in einem Stück gegossen. Als gegossenes Werkstück besitzen sie weniger Elastizität als gebogene Klammern aus gezogenem Draht und liegen dem Zahn passgenau an. Durch die körperliche Umfassung des Zahnes (– nur wenn der Zahn mindestens zur Hälfte umfasst wird, bleibt er positionsstabil –)  und die hohe Passgenauigkeit wird erreicht, dass die Beweglichkeit der Klammer am Zahn stark reduziert ist.

Was die Anzahl der benötigten Klammern angeht, so sind im parodontal vorgeschädigten Restgebiss zur möglichst gleichmäßigen Belastungsverteilung mehr Klammern erforderlich als im parodontal gesunden Gebiss. Und auch bei sehr flachen Kieferkämmen, die keine horizontalen Kräfte aufnehmen können, müssen mehr Zähne in die Klammerkonstruktion einbezogen werden.

II. Prothesensattel

Dieser liegt der Schleimhaut im Bereich der Zahnlücken auf. Das metallene Gerüst des Modellgusses ist umkleidet von zahnfleischfarbenem PMMA-Kunststoff (Polymethylmethacrylat), in welchem die Prothesenzähne verankert sind.

Der Prothesensattel ist aus Gründen der Karies- und Parodontalprophylaxe (zur Vorbeugung gegen Zahnfäule und Schäden des Zahnhalteapparats) so gestaltet, dass er Zähne und Zahnfleischsaum nicht berührt.

In Abhängigkeit von der Lückensituation spricht man von einem Schaltsattel bzw. einem Freiendsattel.

III. Gaumenplatte und Sublingualbügel

Eine Modellgussprothese ist aus Gründen der Statik, aber auch der Sicherheit, prinzipiell auf beiden Seiten eines Kiefers verankert. Das bedeutet, dass auch eine einseitige Schalt- oder Freiendsituation mit zusätzlichen Klammern an zwei Zähnen auf der Gegenseite verstrebt wird.

Die starre Verbindung beider Seiten erfolgt unter Umgehung und Schonung der verbliebenen Zähne:

  • im Oberkiefer durch eine flach anliegende, etwa ein bis zwei Zentimeter breite Gaumenplatte, die Platz für die Zungenspitze im anterioren (vorderen) Gaumenbereich lässt
  • im Unterkiefer durch einen Sublingualbügel, der, dem Bogenverlauf der Zähne folgend, mit Abstand zu diesen, sublingual (unter der Zunge) von einer Seite zur anderen führt. Der räumlichen Situation geschuldet muss er deutlich schmaler als die Gaumenplatte, dafür aber tropfenförmig im Querschnitt, gestaltet sein.

IV. Lagerung der Prothese

Angestrebt wird in der Regel eine parodontale Lagerung: Die Parodontien (Zahnhalteapparate) der Klammerzähne sollen möglichst viele der auf die Prothesensättel einwirkenden Belastungen aufnehmen und so die Schleimhaut und knöcherne Unterlage im Bereich der Lücken schonen. Bei einem geradlinig verlaufenden Schaltsattel, der beidseitig auf Zähnen abgestützt wird, ist dies gegeben.

Parodontal-gingivale Lagerung: Anders stellt sich die Situation dagegen bei Freiendlücken oder einer großen, im Bogen verlaufenden Frontzahnlücke dar. Hier lässt sich eine zusätzliche Belastung der Schleimhaut mit zunehmendem Abstand von den Klammerzähnen nicht umgehen. Um eine möglichst gleichmäßige Kraftverteilung über den gesamten Sattel zu erzielen, werden bei einer Freiendsituation eine sattelferne Abstützung der Klammern sowie eine weite Ausdehnung des Sattels gewählt.

Gingivale Lagerung: Eine rein von der Schleimhaut getragene Prothese ist in aller Regel keine Modellgussprothese. Diese Art der Lagerung liegt beispielsweise bei Totalprothesen oder Prothesen mit gebogenen Klammern vor.

V. Kippmeider

Verglichen mit der Länge eines Freiendsattels ist der retentive Bereich, in welchem der Klammerunterarm für Halt gegen Zugkräfte sorgen kann, sehr klein. Daraus resultiert eine Rotationsbewegung, die den Klammerunterarm als Rotationszentrum hat – der Sattel muss zwangsläufig beim Kauen klebriger Nahrung vom Kiefer abkippen. Dieser Effekt wird durch Klammerauflagen, die jenseits des Rotationspunktes möglichst sattelfern konstruiert werden und so als Kippmeider dienen, reduziert.

Hier sei das Gesetz der Zugklammerlinie erwähnt: Als Verbindungslinie zwischen den Retentionsbereichen (also Klammerunterarmen) der Teilprothese verläuft sie im günstigsten Fall durch die Mitte der Prothesenbasis. So fungiert die eine Hälfte der Prothese jeweils als Kippmeider für die andere Hälfte.

Anders dagegen die Stützklammerlinie: Sie verläuft durch die Klammerauflagen und bildet zwangsläufig eine Schaukelachse, wenn beidseits kombiniert parodontal-gingival getragene Prothesenbereiche liegen. Hier muss gegebenenfalls völlig auf die parodontale Abstützung verzichtet oder auf aufwändigere Geschiebekonstruktionen ausgewichen werden, um ein Schaukeln zu umgehen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Beidseitige Schaltlücke – alle zu ersetzenden Zähne liegen innerhalb des Unterstützungspolygons (innerhalb der Stützklammerlinien), die Sättel werden parodontal abgestützt. Die Indikation greift beispielsweise, wenn Brücken zu kostenintensiv oder Brückenspannen zu lang sind. Ein Patient kann das Präparieren gesunder Zähne für Kronen als Brückenpfeiler auch ablehnen.
  • Brückenplanung als Alternative aufgrund von Risikopfeilerzähnen nicht indiziert
  • Brückenplanung als Alternative aufgrund überlanger Brückenspannen nicht indiziert
  • Freiendsituation
  • mit Schaltlücken kombinierte Freiendsituation

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • stark reduzierter Restzahnbestand – nur noch ein Zahn oder zwei nebeneinander stehende Zähne
  • Prothesenstatik bzw. -dynamik – beispielsweise Lückensituation, die keine Planung von Kippmeidern ermöglicht
  • keine ausreichende Retention –es fehlen retentive Bereiche an den natürlichen Zahnkronen, in denen die Klammerunterarme Halt gegen Abzugskräfte finden könnten

Vor dem Verfahren

Vor dem Verfahren erfolgt die Planung unter Berücksichtigung der Belastbarkeit des Restgebisses und der Konstruktionsprinzipien für die individuelle Lückensituation.  Bereits in der Planungsphase können Modelle der Kiefer mithilfe eines Parallelometers vermessen werden, um Aufschluss über retentive Bereiche zu erhalten – Bereiche der natürlichen Zahnkrone zwischen ihrem Äquator (ihrer stärksten Vorwölbung) und dem Zahnhals, in welchen die Klammern Halt gegen Abzugskräfte finden. Gegebenenfalls muss die Planung um aufwändigere Kronen- und Geschiebekonstruktionen erweitert werden.

Das Verfahren

I. Zahnarztpraxis

  • Vorbereitung der Klammerzähne – Präparieren (Einschleifen) der Auflagen und ggf. Schleifkorrekturen zur Verbesserung der Führungsflächen (Klammerschulter und -oberarm)
  • Abformung des zu versorgenden Kiefers mit Alginat
  • Abformung des Gegenkiefers mit Alginat
  • Fluoridierung der präparierten Schmelzbereiche
  • Auswahl von Zahnfarbe und Zahnform

II. Zahntechnisches Labor

  • Herstellen von Arbeitsmodellen (Gipsmodellen auf Basis der Abformungen)
  • Herstellen von Registrierschablonen für die Kieferrelationsbestimmung

III. Zahnarztpraxis

  • Kieferrelationsbestimmung – mithilfe der Registrierschablonen wird die Lagebeziehung von Ober- und Unterkiefer zueinander ermittelt und fixiert
  • Gesichtsbogenanlage – Mithilfe eines Gesichtsbogens wird die Oberkieferposition schädelbezüglich ermittelt und ins Labor übertragen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Kieferrelation (Abstand der Basen von Ober- und Unterkiefer zueinander) therapeutisch verändert werden soll.

IV. Zahntechnisches Labor

  • Übertragen der Modelle in den sogenannten Artikulator (Gerät zur Nachahmung der Kieferpositionen und der Kiefergelenksbewegungen)
  • Meistermodell − Die Modelle werden mit dem Parallelometer vermessen, um die Lage der retentiven Bereiche und der Einschubrichtung festzulegen. Der Verlauf des Metallgerüsts wird angezeichnet und unter sich gehende Bereiche ausgeblockt. Im Bereich der späteren Prothesensättel wird Vorbereitungswachs als Platzhalter für den unter der Metallbasis liegenden Prothesenkunststoff aufgetragen. Die Plattengrenzen werden radiert (wenig Gips wird abgetragen).
  • Doublieren des Meistermodells − Mit Gel oder Silikon wird das Meistermodell abgeformt. Die entstehende Hohlform wird mit Einbettmasse ausgegossen. Auf diesem Einbettmassemodell wird mithilfe von Wachsfertigteilen das künftige Modellgussgerüst zunächst in Wachs modelliert.
  • Anbringen von wächsernen Gusskanälen an die Wachsmodellation
  • Einbetten des Modells in eine Gussmuffel
  • Ausbrennen des Wachses im Gussofen
  • Ausgießen des dabei entstehenden Hohlraumes mit der zuvor geschmolzenen Cobalt-Chrom-Molybdän-Legierung
  • Ausbetten des erkalteten Gussgerüsts
  • Abtrennen der metallenen Gusskanäle, Ausarbeiten und Politur

V. Zahnarztpraxis

  • Gerüsteinprobe − Kontrolle auf spannungsfreien Sitz und Okklusionsstörungen (Schlussbiss und Kaubewegungen)

VI. Zahntechnisches Labor

  • Aufstellen der Prothesenzähne in Wachs

VII. Zahnarztpraxis

  • Wachseinprobe − gegebenenfalls kleinere Korrekturen der Zahnaufstellung

VIII. Zahntechnisches Labor

  • Umsetzen der Wachsmodellation in Prothesenkunststoff auf PMMA-Basis (Polymethylmethacrylat)
  • Ausarbeiten und Politur

IX. Zahnarztpraxis

Eingliederung der fertigen Modellgussprothese, ggf. Korrekturen der Okklusion (Schlussbiss und Kaubewegungen)

Nach dem Verfahren

Dem Patienten wird das Wahrnehmen regelmäßiger Kontrolltermine empfohlen, um ggf. notwendige Reparaturen oder Unterfütterungen, die durch den Rückgang der Kieferkämme aufgrund der Belastung durch die Prothese erforderlich werden können, vornehmen zu lassen.

Literatur

  1. Ludwig P & Niedermeier W. (2002). Checkliste Prothetik (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  2. Gernet W, Biffar R, Schwenzer N, Ehrenfeld M & Beuer F. (2017). Zahnärztliche Prothetik (5. Auflage). Thieme Verlag.
  3. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  4. Kern M, Wolfart S, Heydecke G, Witkowski S & Türp JC. (2022). Curriculum Prothetik Bände 1-3 (5. Auflage). Quintessenz Verlag.

     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage ür Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

ArztOnline.jpg

DocMedicus
Gesundheitsportal

 

Unsere Partner