Umstellungsosteotomie der Kiefer
Dysgnathie-Operation, Bimaxilläre Osteotomie

Als Umstellungsosteotomie der Kiefer wird eine operative Umstellung der Lagebeziehung der Kiefer bezeichnet. Man unterscheidet die Umstellung nur eines Kiefers – also von Ober- oder Unterkiefer – von der bignathen Umstellungsosteotomie, bei der beide Kiefer operiert werden.

Ein in Größe und Lage normaler Kiefer mit daraus resultierend normaler Zahnstellung wird als eugnath bezeichnet.
Liegen Unstimmigkeiten oder Abweichungen der Zähne oder Kiefer vor, wird von einer Dysgnathie gesprochen.

Ausgeprägte Dysgnathien (Kieferfehlstellungen) aber beeinträchtigen nicht nur das Aussehen, sondern auch das Wohlbefinden und den Gesundheitszustand des gesamten craniomandibulären Systems (Kiefer, Kiefergelenke, Kau- und Gesichtsmuskulatur). Der Kauvorgang kann deutlich erschwert sein. Verletzendes Verhalten von Mitmenschen kann ebenfalls zu einer enormen Einschränkung der Lebensqualität beitragen.

Liegt eine ausgeprägte Dysgnathieform vor, die nicht allein durch kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen zufriedenstellend zu therapieren ist, ist die operative Umstellung eines oder beider Kiefer, die Umstellungsosteotomie, das Mittel der Wahl, um nicht nur die Funktion des Kausystems zu optimieren, sondern auch ein harmonisches Äußeres zu erzielen und so die Lebensqualität entscheidend zu verbessern.

Eine Dysgnathie kann durch Erkrankungen oder Fehlbildungssyndrome verursacht werden, so z. B. durch:

  • Pfeiffer-Syndrom (Synonym: Morbus Pfeiffer): seltene, autosomal-dominant vererbte Krankheit; sie gehört zu den kraniofazialen Fehlbildungen (kurzer Schädel, flacher Hinterkopf, großer Augenabstand unterentwickeltes Mittelgesicht, breite, nach außen gerichtete Endglieder von Daumen und Großzehen)
  • Crouzon-Syndrom (Synonym: Morbus Crouzon): Akrocephalosyndaktylie-Syndrom mit Fehlbildungen des knöchernen Schädels und der Phalangen)
  • Goldenhar-Syndrom (Synonym: Oculo-auriculo-vertebrale Dysplasie, OAV): angeborene Fehlbildung unklarer Genese; sie betrifft meist nur eine Seite des Gesichtes und zeichnet sich durch eine Ohrmuschelfehlbildung, durch ein zur erkrankten Seite verschobenes Kinn, einseitig höher stehenden Mundwinkel, ein vergrößertes Auge oder durch ein fehlendes Auge aus) 
  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (LKG-Spalten).

Doch auch erworbene Ursachen wie frühzeitiger Milchzahnverlust, Habits (schädliche Gewohnheiten wie z. B. Lutschen), Mundatmung oder Traumen (Verletzungen) können eine Dysgnathie hervorrufen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Eine Dysgnathie-Operation kann aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden, so z. B.:

  • ausgeprägte Diskrepanz zwischen den Kieferbasen
  • deutlich offener Biss
  • deutlich erkennbare Disharmonie des Gesichtsprofils
  • mandibuläre Prognathie − ausgeprägter umgekehrter Frontzahnüberbiss, die Unterkieferbasis liegt im Verhältnis zur Oberkieferbasis zu weit vorn, die Unterkieferschneidzähne beißen vor die des Oberkiefers

In der Regel erfolgt ein operativer Eingriff immer erst dann, wenn die Grenzen der kieferorthopädischen Therapie ausgeschöpft sind.

Vor dem Verfahren

Der operative Eingriff ist in ein umfangreiches Therapiekonzept eingebettet, das mit einer gründlichen Planung mittels klinischer und röntgenologischer Untersuchungen beginnt. Mit Hilfe eines Fernröntgenseitenbildes (FRS) wird ermittelt, wie ausgeprägt die Diskrepanz der Kieferbasen ist.

Vor dem Eingriff ist eine vorbereitende kieferorthopädische Behandlung notwendig, die bis zu 18 Monaten dauern kann. Ziele dieser Kombinationstherapie sind die Herstellung einer harmonischen Okklusion (Passung der Zähne zueinander) sowie die Harmonisierung des Gesichtsprofils.

Außerdem geht dem operativen Eingriff das Warten auf den Abschluss des Wachstums voraus. Andernfalls könnte weiteres Wachstum das mühsam erarbeitete Ergebnis negativ beeinflussen.

Für einen im Unterkiefer geplanten Eingriff müssen mindestens drei Monate vorher die Weisheitszähne entfernt werden, da sie im Operationsbereich der Umstellungsosteotomie liegen.

Steht die Operation schließlich kurz bevor, wird präoperativ im zahntechnische Labor ein so genannter Splint angefertigt − eine Kunststoffschiene, mit der intraoperativ (während der Operation) Ober- und Unterkiefer miteinander verbunden werden, um deren Lage, die angestrebte Verzahnung so wie die Position der Kondylen (Kiefergelenksköpfchen) zu sichern.

Die einzelnen Phasen der kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Therapie umfassen:
  1. Kieferorthopädische Vorbehandlung – Dekompensation, Dauer je nach individueller Situation 6 bis 18 Monate
  2. Operation – Umstellungsosteotomie
  3. Kieferorthopädische Feineinstellung
  4. Stabilisieren des Behandlungsergebnisses – Retainment

Das Verfahren

Die Umstellungsosteotomie wird unter Vollnarkose durchgeführt und ist mit einem stationären Aufenthalt von mehreren Tagen verbunden.

Um den Oberkiefer in eine neue Position zu bewegen, wird er oberhalb der Zahnwurzeln vom Gesichtsschädel gelöst (Le Fort I Osteotomie) und in einer je nach Situation weiter vorn beziehungsweise weiter hinten liegenden Position mittels Platten und Schrauben fixiert.

Um den Unterkiefer in die gewünschte Position zu bringen, wird häufig die sagittale Osteotomie nach Obwegeser und Dal-Pont durchgeführt. Hierbei wird der Unterkiefer im Ramus ascendens (in seinem aufsteigenden Ast) retromolar (hinter den Backenzähnen) so weit aufgespalten, dass es möglich ist, den Kiefer in eine optimale Position zu bringen. Auch der Unterkiefer wird mittels Platten und Schrauben in seiner neuen Position fixiert.

Der Splint fixiert Ober- und Unterkiefer in ihrer Position zueinander.

Nach dem Verfahren

An die Ausheilphase der Operation schließt sich die zweite Phase der kieferorthopädischen Behandlung zur Feineinstellung der Zahnpositionen und somit der Okklusion (Schlussbiss und Kaubewegungen) an.

Sind keine Zahnbewegungen mehr erforderlich, wird in der sogenannten Retentionsphase bzw. dem Retainment das Behandlungsergebnis langfristig gesichert. Hierfür werden beispielsweise Retainer (Drähte) auf der Oralseite (Rückseite) der oberen und unteren Schneidezähne adhäsiv befestigt (verklebt).

Die während der Umstellungsosteotomie eingesetzten Platten werden in einem zweiten operativen Eingriff  nach abgeschlossener Knochenheilung wieder entfernt.

Mögliche Komplikationen

  • Verletzung von Nerven mit Lähmungserscheinungen, Sensibilitätsausfällen, Taubheit – z. B. des Nervus mandibularis im Unterkiefer
  • Eröffnung der Kieferhöhle im Oberkiefer
  • Verletzung von Zähnen
  • Infektionen
  • Wundheilungsstörungen
  • Pseudarthrosen – Ausbildung eines falschen Gelenkes
  • u. a.
Literatur
  1. Hönig J.F. Maxillomandibuläre Umstellungsosteotomien. (2002)
  2. Minde R. Schamsawary S. Kleine Operationslehre (2008)
  3. Schamsawary S. Dysgnathien. Interdisziplinäre Therapiekonzepte von der Planung bis zur Operation. 1. Aufl. (2007)

     
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