Hilfsimplantate (Synonyme: temporäre Implantate, provisorische Implantate, Miniimplantate, IPI für engl.: Immediate Provisional Implants) dienen als Verankerungselemente für kieferorthopädische Apparaturen oder für provisorischen Zahnersatz während postoperativer Heilungsphasen und werden – anders als dauerhafte Implantate – nur temporär inseriert (vorübergehend eingesetzt).
Hilfsimplantate unterscheiden sich hinsichtlich ihres geringeren Durchmessers (1 bis 3,5 mm), ihrer Länge, ihres nur einteiligen Aufbaus und ihrer Anwendungsweise von permanenten Implantaten (dauerhaft gesetzten künstlichen Zahnwurzeln). Wie diese bestehen sie in der Regel aus Titan.
Hilfsimplantate in der Prothetik
Auf Grund ihres geringen Durchmessers finden Hilfsimplantate Platz zwischen permanenten Implantaten in deren mehrmonatigen Einheilphase und werden zeitgleich mit diesen inseriert (eingesetzt).
Während für definitive Implantate die sogenannte Osseointegration (unmittelbarer Knochen-Implantat-Kontakt, ankylotische (verwachsene) Einheilung) angestrebt wird und sie deshalb in der Osseointegrationsphase nicht belastet werden dürfen, ist diese spaltfreie Einheilung in den Knochen nicht das primäre Ziel für Hilfsimplantate. Sie tragen, zeitlich von vornherein begrenzt, die Belastung durch provisorischen Zahnersatz. Sollten sie sich in ihrer Funktionsphase vorzeitig lockern, können sie an anderer Stelle durch neue ersetzt werden. Überstehen sie die Tragezeit ohne Lockerung, sind sie problemlos wieder zu entfernen.
Schmale Einzelzahnlücken, wie sie insbesondere im unteren Frontzahnbereich vorliegen können, sind in der Regel selbst mit klein dimensionierten definitiven Implantatsystemen nicht oder nur schwer zu versorgen. In derartigen Problemfällen kann beispielsweise ein Miniimplantat geringen Durchmessers zur dauerhaften Versorgung herangezogen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine erfolgreiche ankylotische (verwachsene) knöcherne Einheilung. Während dieser dreimonatigen Osseointegrationsphase darf kein Kontakt der provisorischen Krone zu den Antagonisten (Zähnen des Gegenkiefers) vorhanden sein.
Hilfsimplantate in der Kieferorthopädie
Dem physikalischen Gesetz actio = reactio folgend, nach dem jede Kraft eine Gegenkraft auslöst, können einzelne Zähne oder auch Zahngruppen kieferorthopädisch nur bewegt werden, wenn den dazu nötigen Kräften Gegenkräfte durch entsprechende Verankerung entgegengesetzt werden.
Leider werden dabei nicht nur die Zähne, die kieferorthopädisch umpositioniert werden sollen, bewegt. Vielmehr trifft dies auch auf Zähne zu, die lediglich zur Verankerung der Gegenkräfte genutzt werden sollen. Um diesen Effekt des sogenannten Verankerungsverlustes zu vermeiden, können Minischrauben, die am häufigsten genutzten kieferorthopädischen Hilfsimplantate, als Verankerungselemente zwischen den natürlichen Zahnwurzeln oder hinter den Zahnreihen gesetzt werden.
Die Möglichkeiten einer kieferorthopädischen Behandlung werden eingeschränkt, wenn die Zahnzahl reduziert ist oder Parodontopathien (Schädigungen der Zahnhaltapparate) vorliegen. Können in derartigen Fällen Hilfsimplantate zur Verankerung genutzt werden, wird die kieferorthopädische Behandlung erst durch diese ermöglicht.
Des Weiteren sind Hilfsimplantate eine Alternative für den sogenannten Headgear, einen Außenbogen, der den Nacken bzw. Hinterkopf als Widerlager nutzt und folglich mit erheblichen Einschränkungen bezüglich der Ästhetik und des Tragekomforts verbunden ist. Dies kann sich wiederum ungünstig auf die Mitarbeit der Patienten auswirken und den Behandlungserfolg in Frage stellen. Gleiches gilt für das Tragen einer Gesichtsmaske. Hilfsimplantate sind eine elegante Alternative und entfalten rund um die Uhr unabhängig von der Compliance (Mitarbeit) des Trägers ihre Wirkung.
Ist indikationsabhängig eine besonders stabile knöcherne Verankerung erforderlich wie z. B. bei Gaumenimplantaten, so wird der Situation durch Implantate größeren Durchmessers (3,5 mm) und mehr Länge (4 bis 10 mm) Rechnung getragen sowie durch eine aufgeraute Titanoberfläche in dem von Knochen umgebenen Implantatbereich.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Zur Stabilisierung von festsitzendem provisorischem (übergangsweise getragenen) Zahnersatz bis zur Eingliederung von definitivem (endgültigen) Zahnersatz
- Zur unmittelbar postoperativen Belastbarkeit
- Zur Entlastung definitiver Implantate in ihrer mehrmonatigen Einheilphase
- Zur Entlastung von Knochen- und Weichgewebe nach operativem Wiederaufbau (Augmentation) und anderen präprothetischen Eingriffen (zur Verbesserung der Knochen- und Weichgewebssituation vor Versorgung mit Zahnersatz)
- Patientenwunsch nach festsitzender provisorischer Versorgung
- Patienten mit Würgereiz verursacht durch das Tragen herausnehmbarer Prothesen
- Als dauerhaftes Implantat in schmalen Unterkiefer-Frontzahnlücken
- Als kieferorthopädisches Verankerungselement
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Allgemeinmedizinische Kontraindikationen − z. B. reduzierter Allgemeinzustand, Wundheilungsstörungen bei Diabetes mellitus, geschwächtes Immunsystem
Vor der Operation
- Aufklärung über das operative Vorgehen, Komplikationen, alternative Behandlungsmöglichkeiten und dem Verhalten nach dem Eingriff
- Abklärung möglicher Operationsrisiken wie z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Problematik u. a.
Das Operationsverfahren
I. Insertion
Unter Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) wird die geplante Insertionsstelle ("Einsetzungsstelle") ohne Schleimhautschnitt zunächst mit einem Vorkörner markiert. Ein Pilot-, gefolgt von einem Erweiterungsbohrer, schafft eine unterdimensionierte Knochenkavität (schmaler als der Implantatdurchmesser). Danach wird durch vorsichtiges Eindrehen eines Gewindeformers der randständige Knochen verdichtet und so für die Aufnahme des Hilfsimplantats vorbereitet. Dieses wird mit taktiler Sensibilität in das Implantatbett eingedreht. Durch die Knochenverdichtung erreicht das Hilfsimplantat eine sehr hohe Primärstabilität (fester Sitz schon ohne knöcherne Einheilung).
Das Hilfsimplantat wird unmittelbar nach Insertion mit dem provisorischen Zahnersatz belastet.
II. Entfernung
Die Entfernung eines Hilfsimplantats erfolgt zeitgleich mit Eingliederung des endgültigen Zahnersatzes bzw. nach Abschluss der kieferorthopädischen Zahnstellungskorrekturen. Hierfür kann das Implantat – in Abhängigkeit von seiner Größe und Oberflächenrauigkeit mehr oder weniger problemlos – unter Lokalanästhesie herausgedreht werden. Auf Grund des nur kleinen Knochen- bzw. Schleimhautdefekts läuft die Wundheilung in der Regel schnell und schmerzlos ab.
Nach der Operation
- Kontrolle des Wundheilungsverlaufes
Mögliche Komplikationen
- Allergie /Überempfindlichkeit gegen das Anästhetikum
- Hämatome (Blutergüsse)
- Schwellungen
- Nachblutungen
- Wundheilungsstörungen
- Vorzeitiges Lösen des Hilfsimplantats
Literatur
- Streckbein R, Streckbein P, Hassenpflug R: Hilfsimplantate für festsitzende Provisorien und mehr. DZW 12 (2003)
- Besford J: Totalprothesen. Urban & Fischer Verlag 2005: 255
- Kronlage M, Sieper A: Kieferorthopädie. All Dente Verlag 2006:146-155