Revision einer Wurzelfüllung

Eine Wurzelkanalbehandlung mit abschließender Wurzelfüllung dient der Erhaltung eines Zahnes nach Entfernen der erkrankten Pulpa (Zahnmark) – eine Behandlung, die trotz hoher Erfolgsraten nicht immer zur Ausheilung der periapikalen Entzündung (um die Wurzelspitze) führt. Dadurch kann eine Revision der Wurzelkanalfüllung erforderlich werden. Bei einer Revision wird eine bereits eingebrachte Wurzelfüllung entfernt und nach antimikrobiellen Maßnahmen und Beschwerdefreiheit durch eine neue Wurzelfüllung ersetzt.

Symptome – Beschwerden

Röntgenologische Befunde:

  • eine neu entstandene apikale Osteolyse (Auflösung des Knochens an der Wurzelspitze)
  • eine bei Legen der ersten Wurzelfüllung existierende Aufhellung verkleinert sich innerhalb der folgenden vier Jahre nicht (Verlaufskontrollen) oder nimmt an Größe zu

Mögliche klinische Befunde:

  • Perkussionsdolenz (Klopfempfindlichkeit)
  • Aufbissempfindlichkeit des betroffenen Zahnes
  • Druckdolenz (Druckschmerz) des Zahnfleischs vestibulär (im Mundvorhof) oral (im Mundinneren)
  • Fistel oder Weichteilschwellung in Wurzelnähe
  • klinische Beschwerdefreiheit bei verschlechtertem Röntgenbefund

Diagnostik

Die Diagnose wird durch die klinischen und röntgenologischen Befunde gestellt.

Therapie

Im Rahmen der Revision wird zunächst die alte Wurzelkanalfüllung möglichst vollständig entfernt. Im Anschluss werden die Wurzelkanäle mechanisch erweitert, um das kanalwandnahe infizierte Dentin (Zahnbein) zu entfernen. Gleichzeitig erfolgt die gründliche Desinfektion mit Spüllösungen. Werden bei der Revision zusätzliche Kanäle aufgefunden, die der Grund für den Misserfolg der vorangegangenen Behandlung sein können, so werden diese ebenfalls aufbereitet und, nachdem der Zahn beschwerdefrei ist, mit einer Wurzelkanalfüllung versehen.

Ziel der Therapie ist es, einen keimfreien, bakteriendichten Verschluss des Wurzelkanalsystems herzustellen und damit dauerhafte klinische und röntgenologische Symptomfreiheit zu erreichen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Indikation zur Revision einer Wurzelfüllung kann sich aus den oben angeführten klinischen und röntgenologischen Befunden ergeben, aber auch durch folgende prophylaktische Überlegungen bedingt sein:

  • nach bakterieller Kontamination (Verunreinigung) vor Neuversorgung: Wenn eine Wurzelfüllung längere Zeit dem mikrobiellen Mundmilieu ausgesetzt war, so z. B. bei Verlust einer Füllung oder Krone, muss man davon ausgehen, dass der Wurzelkanal entlang der Grenzlinie zwischen Kanalfüllung und Kanalwand wieder bakteriell besiedelt wurde.
  • vor umfangreicher Therapie: Wird ein wurzelgefüllter Zahn in eine umfangreiche Planung für Zahnersatz einbezogen, ist es ratsam, eine schon länger liegende, beschwerdefreie, aber röntgenologisch mangelhafte Wurzelkanalfüllung im Vorfeld zu revidieren, um optimale Voraussetzungen für den neuen, aufwändigen Zahnersatz zu schaffen.
  • vor Wurzelspitzenresektion (WSR): Ist bedingt durch die Größe der apikalen Osteolyse (Auflösung des Knochens an der Wurzelspitze) die WSR eines schon länger wurzelgefüllten Zahnes unumgänglich, so verbessert eine präoperative Revision die Erfolgsaussichten der WSR.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Der wurzelgefüllte Zahn ist mit Zahnersatz (Stift, Krone, Brücke) versorgt und die Wurzelfüllung dadurch nicht einer orthograden Aufbereitung (Aufbereitung von der Mundhöhle aus über den Wurzelkanal) zugänglich, ohne den Zahnersatz zu zerstören.
  • Aufgrund der Vorbehandlung oder des Röntgenbefunds ist eine Verbesserung der Wurzelfüllung nicht zu erwarten, z. B. bedingt durch eine starke Wurzelkrümmung, eingeschränkte Mundöffnung oder Obliteration (Verwachsung durch dentinartige Hartsubstanz) des Wurzelkanals.
  • Es ist schon ein Revisionsversuch erfolgt.
  • Der Zahn ist aufgrund seines parodontalen Zustands nicht mehr erhaltungswürdig.
  • Das weitere Versorgungskonzept duldet keine prognostisch fragwürdigen Zähne.
  • Der Zustand der Zahnhartsubstanz lässt eine nachfolgende zahnerhaltende Versorgung nicht mehr zu.

Das Verfahren

Revisionen sind generell als schwierig zu bewerten. Eine Revision kann sich in Abhängigkeit vom verwendeten Wurzelfüllungsmaterial, der Kanalkrümmung oder dem aufbereiteten Durchmesser des Kanals komplex gestalten. Während weichere Pastenfüllungen und Guttapercha in der Regel entfernbar sind, birgt das Entfernen harter Pasten oder Zemente ein hohes Risiko, die Kanalwand zu perforieren (zu durchbohren). Deshalb empfiehlt sich bei komplizierten Revisionen die Überweisung an eine endodontisch spezialisierte Praxis.

  • Zugang zum Wurzelkanal mit rotierenden Instrumenten schaffen
  • Erwärmen und Entfernen einer Guttaperchfüllung im kronennahen Bereich mit einer heißen Sonde
  • Entfernen der folgenden 5 mm der Füllung z. B. mit Gates-Glidden-Bohrer
  • Einbringen eines Lösungsmittels, z. B. Eukalyptol, zum Erweichen der Guttapercha – nicht jedoch bei schlecht verdichteter oder bei über die Wurzelspitze hinausreichender Guttaperchafüllung
  • Entfernen von Silberstiften mit der Feilen-Flecht-Technik: eine oder mehrere Hedströmfeilen werden um den Stift herum möglichst tief im Kanal platziert, dann gegeneinander verdreht. Dabei verhaken die Feilenkanten im weicheren Silber und können herausgezogen werden.
  • Einbringen von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) als Gel oder Spülung: entfernt den smear layer (Schmierschicht) und verbessert die Gleitfähigkeit der endodontischen Instrumente
  • Entfernen der restlichen Füllung mit Feilen (Hedströmfeile, Pro-Taper Universal u. a.)
  • Annäherung an die apikale Konstriktion (physiologische Wurzelspitze; verengte Stelle an der Wurzelspitze) auf 2 mm
  • Spülen mit Natriumhypochlorit (2,5 - 5,25 %)  Ultraschallaktiviertes Spülen verbessert die antibakterielle und Gewebe auflösende Wirkung.
  • Zwischenspülung z. B. mit Kochsalzlösung oder EDTA-Lösung: Hypochlorit und Chlorhexidin reagieren miteinander, rotbraunes Parachloroanilin wird ausgefällt.
  • Spülen mit Chlorhexidin (0,2 - 2 %): bei Revisionen muss mit einer Besiedelung mit Enterococcus faecalis gerechnet werden, gegen den nur Chlorhexidin antibakteriell wirkt.
  • Danach vollständige Aufbereitung bis zur apikalen Konstriktion. Die Längenbestimmung bei der Aufbereitung muss mit Röntgenmessaufnahmen und / oder endometrischer Längenbestimmung erfolgen.
  • Als desinfizierende Einlage bei Kontamination (Verunreinigung) mit E. faecalis ist Calciumhydroxid, anders als bei einer ersten Wurzelkanalbehandlung, weniger geeignet. Wirksam sind Chlorhexidin 2 % oder CHKM (Monochlorphenol-Kampfer-Menthol), wobei Chlorhexidin aufgrund seiner besseren Biokompatibilität zu bevorzugen ist. Die Einlage verbleibt für eine bis etwa vier Wochen; währenddessen muss der Zahn speicheldicht verschlossen sein, um eine Neukontamination des Kanalsystems zu verhindern.
  • Danach ggf. Wiederholung der desinfizierenden Einlage oder abschließende Wurzelkanalfüllung mit bakteriendichter Weiterversorgung

Mögliche Komplikationen

  • Instrumentenfraktur: der Bruch eines Wurzelkanalinstrumentes stellt die häufigste Komplikation dar
  • Perforationen: zweithäufigstes Problem, auftretend z. B. bei der Suche nach Wurzelkanaleingängen, in stark gekrümmten Wurzeln oder bei dem Versuch, kalzifizierte (verkalkte) Kanäle gängig zu machen
  • Wurzelfüllmaterial lässt sich nicht oder nur teilweise entfernen, sodass die apikale Konstriktion (physiologische Wurzelspitze) nicht erreicht wird
  • Nach der Revision bleibt die apikale Parodontitis (Entzündung des Parodonts (Zahnhalteapparat) genau unterhalb der Zahnwurzel; apikal = "zahnwurzelwärts") bestehen oder entwickelt sich neu
  • Wurzelkanalsystem ist teilweise nicht zugänglich: Verzweigungen, starke Krümmungen, Obliterationen (Verschluss durch Hartsubstanzbildung)
  • unzureichende Desinfektion
  • Wurzelfrakturen
  • Überstopfen von Wurzelfüllmaterial über den Apex (Wurzelspitze)
  • Überstopfen eines frakturierten Instrumentenstückes über den Apex

Literatur

  1. Gängler P, Hoffmann T, Willershausen B, Schwenzer N, Ehrenfeld M: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005
  2. Heidemann D. (2005). Endodontie: Studienausgabe Praxis der Zahnheilkunde (PDZ)) (4. Aufl.). Urban & Fischer.
  3. Hülsmann M. (2008). Endodontie (Checklisten Zahnmedizin) (1. Aufl.). Thieme Verlag.
  4. Zentrum Zahnärztliche Qualität: Wurzelspitzenresektion. ZZQ Berlin Kurzfassung Februar 2009 Langfassung November 2006
  5. Klimm W: Endodontologie. Lehrbuch für Studium und Beruf. Deutscher Zahnärzte-Verlag 2010: 352 ff
  6. Jung N: Die Wirkung verschiedener medikamentöser Wurzelkanal-Einlagen auf die Keimreduktion von E. faecalis in vitro. Dissertation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 2012
  7. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
  8. Hülsmann M & Schäfer E. (2019). Probleme in der Endodontie: Prävention, Identifikation und Management (2., vollständig neu bearbeitete Auflage). Quintessence Publishing.

     
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